Kranker Papst:Machtkampf im Vatikan

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Der Petersdom im Vatikan am gestrigen Sonntag. (Foto: TIZIANA FABI/AFP)

Papst Franziskus ringt im Gemelli-Krankenhaus in Rom mit seiner Lungenentzündung, die Lage ist ernst. In den Führungszirkeln der Kirche ist der Kampf um seine Nachfolge bereits in vollem Gange.

Von Marc Beise, Rom

Wenn es um seine Gesundheit geht, hat Papst Franziskus deutliche Worte nie gescheut. Bei früheren Krankenhausaufenthalten hat er offen damit kokettiert, dass manche Widersacher im Vatikan seinen Tod gewünscht hätten, aber: „Ich lebe noch.“ Und der 88-Jährige weiß sehr wohl, wie sehr jede Erkrankung instrumentalisiert wird. In seiner im Januar erschienenen Autobiografie „Hoffe“ steht der schnörkellose Satz: „Immer wenn es einem Papst schlecht geht, weht ein Hauch von Konklave durch die Welt.“ Genau das passiert gerade.

Franziskus geht es schlecht, das ist keine Frage. Auch wenn die Ärzte betonen, dass die Lage nicht ausweglos sei und sie auf eine Erholung des Papstes hoffen, gaben sie selbst nach vergleichsweise gut verlaufenen Tagen nie Entwarnung. „Der Papst ist nicht außer Lebensgefahr“, betonte das Team, das aus Spezialisten des viel gerühmten Gemelli-Krankenhauses und des Vatikans besteht, am Freitag bei seiner ersten Pressekonferenz am Ende der ersten Krankenhauswoche des Kirchenoberhauptes. „Beide Türen sind offen“, sagte Sergio Alfieri, der Leiter des verantwortlichen Ärzteteams.

Die ersten Kardinäle haben sich aus der Deckung gewagt und über ein Ende des Pontifikats gesprochen

Darüber hinaus wird jetzt jeden Morgen und jeden Abend ein Bulletin veröffentlicht, bei dem die Kenner jedes Wort wägen. Ob der Papst „eine ruhige Nacht“ hatte, so die häufige verwendete Formulierung, ist nicht so wichtig wie die Information, ob er morgens gefrühstückt habe, nachdem er „aufgewacht“ oder „aufgestanden“ ist. Seit vergangenem Montag gilt die Lage als besonders ernst, als die Mediziner eine „polymikrobielle Infektion der Atemwege“ benannten, die „komplex“ und schwer zu behandeln sei. Wenige Tage später kam die Entzündung beider Lungenflügel hinzu. Zuletzt dann am Samstag die Nachricht, dass Franziskus in heftige Atemnot geriet und mit Sauerstoff unter hohem Druck stabilisiert werden musste. Hatte man gegen Wochenende gehofft, die Krisis sei vorbei und die Genesung zwar langwierig, aber im Gange, so ist die Krise jetzt zurück. Am Sonntagabend kam der Hinweis auf eine leichte Niereninsuffizienz hinzu, die „derzeit unter Kontrolle“ sei.

Eine Statue von Johannes Paul II. vor der Gemelli-Klinik in Rom, wo Papst Franziskus wegen einer „polymikrobiellen Infektion“ behandelt wird. (Foto: STEFANO COSTANTINO/AFP)

Und also weht der Hauch von Konklave heftiger denn je. Die ersten Kardinäle haben sich aus der Deckung gewagt und über ein Ende des Pontifikats gesprochen. Alle wünschen dem Papst das Beste, sagen sie, gehen aber davon aus, dass er im Laufe dieser Krankheit zurücktreten könnte. Seine Anhänger suchen diese Debatte zu stoppen und sprechen von „nutzlosen Spekulationen“. Franziskus selbst hat sich dazu früher widersprüchlich geäußert. Er gilt als „Dickkopf“ und hat den festen Vorsatz, seinem kranken Körper seinen Willen aufzudrücken und weiterzumachen. Er hat aber auch mitgeteilt, schon kurz nach seiner Wahl 2013 dem Kardinalkämmerer einen Brief übergeben zu haben, in dem er seinen Rücktritt erklärt „für den Fall, dass es dafür medizinische Gründe gibt“.

Zurzeit ist der prominente Patient im Papsttrakt im zehnten Stock der Gemelli-Klinik im Nordwesten Roms fast vollständig isoliert, er empfängt so gut wie keinen Besuch und darf keinem Luftzug ausgesetzt sein, alle Termine sind abgesagt. Ausgerechnet Franziskus, der Prediger, der immer den Kontakt zu den Menschen gesucht hat, als Papst hinter Glas – das kann sich in Rom kaum jemand vorstellen.

Damit aber rückt die Frage in den Vordergrund, wie es mit der Kirche weitergehen könnte nach dem Ende des Bergoglio-Pontifikats. Es ist kein Geheimnis, dass viele in den Führungsgremien im Vatikan selbst, aber auch in den Bischofskonferenzen weltweit, sich eine Kursänderung wünschen. In Rom hofft man vor allem auf einen Papst, der wieder mehr mit der Kurie und den jahrhundertealten Institutionen zusammenarbeitet, die Franziskus häufig außer Acht gelassen hat. In konservativen Kreisen hofft man auf einen Papst, der viele der von Franziskus begonnenen Reformen zurückdrehen könnte. Das betrifft den wachsenden Einfluss der Laien und Frauen in der Kirche und den wohlwollenden Umgang mit Homosexuellen ebenso wie seine heftige Kritik an den Kriegen in der Ukraine und in Nahost, am Kapitalismus und sein Eintreten für Migranten.

Das Franziskus-Lager unter den US-amerikanischen Bischöfen liefert sich Scharmützel mit Trumps Gefolgsleuten

Insbesondere in extrem konservativen katholischen Kreisen in den USA macht man sich Hoffnung, die Wahl des nächsten Oberhauptes von 1,4 Milliarden katholischen Christen weltweit beeinflussen zu können. Das Franziskus-Lager unter den amerikanischen Bischöfen liefert sich bereits heftige Scharmützel mit den Gefolgsleuten von US-Präsident Donald Trump über dessen Migrationspolitik. Der Papst selbst hat in diesen Streit Anfang Februar, bereits geplagt von einer heftigen Bronchitis, mit einem viel beachteten offenen Brief an die US-Bischöfe eingegriffen. Darin schrieb er, es sei falsch anzunehmen, dass alle Einwanderer ohne Papiere Kriminelle seien. Er ermahne alle Gläubigen der katholischen Kirche, sich nicht von Narrativen überwältigen zu lassen, die Migranten und Flüchtlinge diskriminierten oder ihnen unnötiges Leid zufügten: „Was auf der Grundlage von Gewalt und nicht auf der Wahrheit über die gleiche Würde jedes Menschen aufgebaut ist, beginnt schlecht und wird schlecht enden.“

In politischen Fragen hat gerade dieser Papst den Konflikt mit seinen Gegnern nie gescheut. Umso sehnsüchtiger erwarten diese nun das nächste Konklave.

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