Papst Benedikt XVI. in Mexiko und Kuba:Warum Messen lesen nicht genug ist

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Benedikt XVI. reist nach Mexiko und Kuba. Auf dem Programm: Gottesdienste und Treffen mit Mächtigen. Gespräche mit Andersdenkenden und Kirchenopfern will der Papst hingegen nicht führen. Ein Fehler. Denn Benedikt verpasst eine Gelegenheit, wenn er der Realität nur mit spirituellen Friedensappellen und Ritualen begegnet.

Peter Burghardt, Mexiko-Stadt

Nun hat Mexiko also auch noch gebebt, bevor der Papst kommt. Ein Erdstoß erinnerte daran, welch unruhigen Boden Benedikt XVI. am Freitag betritt. Die Erschütterungen aus der Tiefe sind Gewohnheit für die Mexikaner, wirklich gebeutelt wird die Nation hingegen von der Schlacht mit dem organisierten Verbrechen.

Mehr als 50.000 Menschen wurden ermordet, seit Präsident Felipe Calderón 2006 Soldaten auf die Straße schickte. Kuba, wo Joseph Ratzinger am Montag landet, ist da vergleichsweise stabil, bietet aber eine andere, politische Herausforderung. Skeptiker zweifeln, dass der Papst an beiden Plätzen mit seiner Mission Erfolg haben wird.

Für Johannes Paul II. waren solche Reisen Schlüsseltermine. Karol Woytila machte mehrfach in der katholischen Hochburg Mexiko Station, und 1998 wagte er sich als Staatschef aus dem Vatikan ins sozialistische Kuba. Die Begegnung mit dem Comandante Fidel Castro geriet zum Gipfeltreffen zweier Symbolfiguren. Kuba stand im Bann des Papstes, aber den Máximo Líder brachte das Ereignis nicht ins Wanken.

Der Pflichttermin von Benedikt XVI. mit Castros Bruder und Erben Raúl dürfte weniger bedeutungsvoll ausfallen. Der Deutsche tut sich mit Lateinamerika schwerer als der Pole, das sah man bereits in Brasilien. Doch mutige Worte an beiden Etappenzielen wären angebracht.

Mexiko ist ein wunderbares Kulturland, aber es leidet unter einer schreiend ungerechten Verteilung der Güter. Der Mexikaner Carlos Slim ist der reichste Erdenbürger, er steht beispielhaft für das Problem. Das eine Mexiko boomt, das andere lebt in bitterer Armut. Auch deshalb konnten Teile der Republik kriminellen Kartellen verfallen.

Messen statt Politik

Der Kampf der Drogenbanden untereinander und gegen die Regierung kostet mehr Leben als die Dramen in Irak, Afghanistan und Syrien. Der Einsatz der Armee macht alles nur schlimmer, Soldaten sind keine Polizisten. Außerdem werden Uniformierte, Politiker und Richter bedroht und gekauft. Die Mafia hat den Staat durchdrungen, ihr Milliardengeschäft speist sich nicht nur aus dem Drogenhandel.

Der Papst will keine Politik machen, gerade hat der mexikanische Wahlkampf begonnen. Er will Messen lesen, es soll ein spiritueller Friedensappell werden und ein Versuch, den bröckelnden Glauben zu festigen. Der Pontifex verpasst indes eine Gelegenheit, wenn er der Realität nur mit Ritualen begegnet. Auch er sollte darauf hinweisen, dass dieser Krieg mit Waffen nicht zu gewinnen ist.

Auf dem Programm stehen außer den Gottesdiensten Versammlungen mit der Macht, nicht mit Andersdenkenden. Der Oberhirte aus Rom trifft wohl keine Vertreter der Opfer, die Calderóns Kriegsstrategie ablehnen.

Er empfängt offenbar auch keine Männer, die von einem früheren vatikanischen Verbündeten missbraucht wurden. Der Mexikaner Marcial Maciel hatte die reaktionäre Sekte Legionäre Christi gegründet und beherrscht, nebenbei vergewaltigte er Jugendliche und führte ein Doppelleben.

Die Kurie unternahm nichts, obwohl sie laut Dokumenten davon wusste. Solche Skandale tragen dazu bei, dass viele Mexikaner das Interesse am Katholizismus verlieren. Sie suchen Antworten auf Gewalt und Korruption.

Und kubanische Oppositionelle würden sich ebenfalls über Aufmerksamkeit freuen. Dieses Kuba verändert sich nämlich, es probt notgedrungen wirtschaftliche Freiheiten. Politisch bleibt die KP-Führung starr und hat dennoch eine vernünftige Behandlung verdient. Der stumpfsinnige US-Boykott und der Ausschluss vom Amerika-Gipfel sind der falsche Weg.

Benedikt XVI. tut gut daran, die Insel zu besuchen. Seine Präsenz lenkt den Blick der Welt auf das Eiland und stärkt die dortige Kirche als sozialen Akteur. Aber er macht einen Fehler, wenn er die Dissidenten ignoriert. Der Papst sollte auch diejenigen zu Wort kommen lassen, denen die Castros nicht zuhören wollen.

© SZ vom 23.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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