Papst Benedikt XVI.:Fatales Schweigen

Der pädophile Pfarrer H. arbeitete nach seiner Versetzung nach München wieder mit Kindern zusammen. Kardinal Ratzinger wusste davon - und schwieg.

Patrizia Barbera

Papst Benedikt XVI., damals in seiner Funktion als Erzbischof in München, wusste mehr über die Wiedereinsetzung des pädophilen Pfarrers H, als der Vatikan zunächst zugegeben hatte. Das berichtet die New York Times und beruft sich auf Aussagen von Kirchenmitarbeitern.

Es geht um Pfarrer H., jenen Geistlichen, der als Kaplan von Essen nach München kam, weil er Kinder sexuell missbraucht hatte. Am 15. Januar 1980 leitete Erzbischof Joseph Ratzinger ein Treffen des Ordinariatsrats des Bistums. Die Causa H. stand neben Todesfällen von Priestern, dem Kauf eines Gemäldes und dem Umgang mit Einwanderern als Tagesordnungspunkt auf der Agenda des Treffens.

Trotz bekannten Missbrauchsfällen wieder in Jugendarbeit eingesetzt

Tagespunkt 5d besteht aus dem Antrag, dem pädophil aufgefallenen Pfarrer H. aus Essen eine Therapie sowie Kost und Logis in München zu gewähren. Der Ordinatsrat stimmte diesem Vorschlag zu. Über eine Wiederaufnahme seiner Pfarrertätigkeiten wurde nicht entschieden.

Wie ausführlich sich Ratzinger zum Fall des Kaplans, der in Essen mehrere Jungen missbraucht hatte, geäußert hat, ist nicht bekannt. Pastor Friedrich Fahr, der mit der Aufklärung des Falls H. von Anfang an betraut war, hielt jedoch nach dem Treffen laut New York Times außergewöhnlich engen Kontakt zu Kardinal Ratzinger.

Ratzinger wurde über die Wiedereinsetzung des Pfarrers informiert

Am 20. Januar 1980, nur fünf Tage nach dem Beschluss des Ordinariatsrats, beschloss Generalvikar Gerhard Gruber, Pfarrer H. in München ohne jegliche Einschränkung für Gemeindetätigkeiten mit Jugendlichen und Kindern wiedereinzusetzen. Wie nun bekannt wurde, erhielt Joseph Ratzinger über diesen Beschluss eine schriftliche Bestätigung - und ignorierte den Vorfall.

Sofort nach seiner Ankunft in München, am 1. Februar 1980, arbeitete Pfarrer H. wieder als Priester. Eine Therapie begann er erst in der darauffolgenden Zeit. Sein damaliger Therapeut, Doktor Werner Huth, wollte die Behandlung des damals 32-Jährigen zunächst ablehnen. "Er zeigte wenig Einsicht in das, was geschehen war, er war nicht bereit, sich zu hinterfragen, es mangelte eklatant an Introspektionsfähigkeit, es gab bei ihm kaum das Bewusstsein, dass er sich ändern muss", sagte Huth gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Von Anfang an habe er das Erzbistum gewarnt vor dem wenig einsichtsfähigen Mann. Er habe mit dem damaligen Weihbischof Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen geredet, auch mit Generalvikar Gruber. Gruber wies in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung alle Vorwürfe von sich: "Nachdem, was mir die Therapeuten sagten, war es möglich, dass der Pfarrer wieder eingesetzt wird."

Therapeut Huth zeichnet ein anderes Bild des Geistlichen: "Ich habe ihm drei Auflagen gemacht: Erstens muss er sich von Kindern und Jugendlichen fernhalten, zweitens darf er keinen Alkohol trinken, drittens muss er sich einen Supervisor suchen, der ihn kontrolliert."

1986 wurde H. zu 18 Monaten Haft auf Bewährung wegen Kindesmissbrauch verurteilt - er hatte mit Jugendlichen in seiner Privatwohnung Pornofilme angeschaut und sie zum Onanieren animiert.

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