Vatikan:Was passiert, wenn Benedikt XVI. stirbt?

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"Eine Kerze, die langsam und sanft erlischt": Papst Franziskus (r.), Benedikt XVI. und dessen Privatsekretär Georg Gänswein im August 2022. (Foto: Vatican Media/dpa)

Italienische Zeitungen würdigen bereits die Leistungen des emeritierten Papstes - und spekulieren, ob Franziskus nach dem Tod seines Vorgängers auch zurücktreten wird.

Von Oliver Meiler, Rom

Um die Gesundheit des emeritierten Papstes steht es nicht gut, für die katholische Kirche sind es besorgte Tage mit Ärztebulletins und Eilmeldungen zum Zustand des 95-Jährigen. Georg Gänswein, der Privatsekretär von Benedikt XVI., wurde aus dem Urlaub zurückgeholt. Er war nach der Weihnachtsmesse für ein paar Tage nach Bayern gefahren, nun ist er wieder in Rom.

Gänswein musste in den vergangenen Jahren oft die Frage beantworten, wie es "Benedetto" gehe. Benedikt XVI. lebt seit seiner Abdankung 2013 in der Abgeschiedenheit des Klosters "Mater Ecclesiae" in den Vatikanischen Gärten hinter dem Petersdom, an der Seite von vier Schwestern, einem Assistenten des vatikanischen Gesundheitsdienstes und seinem Sekretär. Gänswein sagte dann jeweils, Benedikt sei fragil, aber luzid. Er widme sich der Lektüre, der Musik, dem Gebet. "Er ist eine Kerze, die langsam und sanft erlischt."

Wenn man hört, wie Papst Franziskus die Gläubigen bei der jüngsten Audienz aufforderte, für den "sehr kranken" Benedikt zu beten, dann kommt man zu dem Schluss, dass der Moment des Erlöschens offenbar nahe ist. An Weihnachten hatte der emeritierte Papst Probleme beim Atmen, und das soll nur eines von vielen Altersleiden sein. Das letzte öffentliche Foto ist von Anfang Dezember, da sitzt er in einem beigen Sessel, gezeichnet vom Alter.

Viele Kardinäle bekunden Benedikt XVI. ihre Nähe

Die italienischen Zeitungen, die Päpste unabhängig von deren Nationalität immer wie liebe Landsleute behandeln, lassen in ihren Berichten über diesen späten Lebensabend schon vorgezogene Würdigungen anklingen. "Der lange Abschied" titelt Il Foglio. La Stampa sieht den deutschen Ex-Papst auf dem "Kreuzweg". In den sozialen Medien ging die Nachricht schnell viral.

Viele Kardinäle haben das Bedürfnis, Benedikt XVI. noch zu Lebzeiten ihre Nähe zu bekunden. Es sind auch solche dabei, die kirchenpolitisch anderer Meinung waren als der konservative Joseph Ratzinger aus Marktl am Inn. Manche befeuerten die vermeintliche oder tatsächliche Gegensätzlichkeit des ehemaligen und des amtierenden Papstes zuweilen genauso rege, wie es die Paladine des Deutschen taten. Wie genau, das wird man vielleicht einmal erforschen.

Massimo Franco hat mehrere Bücher über den Vatikan verfasst. Der Journalist des Corriere della Sera schreibt nun, im Kloster Mater Ecclesiae sei der Stil eines "komplementären und alternativen Pontifikats" gelebt worden. So sehen es zumindest die Gegner von Papst Franziskus. Sie hätten diese einzigartige Konstellation - ein emeritierter und ein amtierender Papst im Vatikan - hinter den Leonischen Mauern oft instrumentalisiert, um die Lager zu spalten. "Der Mann im Kloster war eine sperrige Präsenz, nicht nur wegen seiner seltenen Stellungnahmen, sondern auch wegen seines Schweigens." Doch am Ende verwehen alle Feindseligkeiten, die wahren und die herbeigeredeten.

Selbst zurückzutreten, würde Franziskus nach Benedikts Tod leichter fallen

Nach außen zeigten die beiden Männer in Weiß selbst nie Anzeichen persönlicher Auseinandersetzungen. Der Argentinier nannte seinen Vorgänger auch mal einen "Santo", einen Heiligen, und einen "Großvater". Dabei ist Franziskus nur neun Jahre jünger. Der Publizist Franco vermutet, dass der amtierende Papst versucht sein könnte, nach dem Tod von Benedikt XVI. selbst zurückzutreten. Zumindest würde ihm die Entscheidung leichter fallen.

Erst neulich hat der Argentinier in einem Interview gesagt, er habe zu Beginn seines Pontifikats ein Verzichtsschreiben unterzeichnet für den Fall, dass er einmal zu krank sei, um den Ansprüchen des Amtes zu genügen. Sein Knieleiden bindet ihn schon seit einer Weile an einen Rollstuhl, die Vollnarkose für eine Darmoperation hat ihm zugesetzt. Es gab immer wieder Gerüchte, dass Franziskus zurücktreten könnte. Doch zwei emeritierte Päpste gleichzeitig? Das wäre wohl zu viel.

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In Rom wird nun auch die Frage verhandelt, wie die Bestattung eines emeritierten Papstes vonstattengehen könnte. Vermutlich gibt es schon ein genaues Protokoll dafür, bekannt geworden ist - aus Pietätsgründen - noch nichts. Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. - Papst von 1978 bis 2005 und ein Liebling der Römer - lag neun Tage lang aufgebahrt im Petersdom, damit sich die Massen gebührend von ihm verabschieden konnten. Sie taten das still und geduldig, stellten sich stundenlang in die Schlange. Neun Tage werden es bei Benedikt XVI. wohl nicht werden. Doch die italienischen Vatikankenner gehen davon aus, dass sich das Volk der Gläubigen auch einige Tage lang vom "Papa tedesco" verabschieden kann.

Früher hieß es, Joseph Ratzinger wolle daheim in Bayern bestattet werden. Doch sein letzter Ruheplatz wird wohl da sein, wo Päpste nun einmal ruhen, im Zentrum des Zentrums der katholischen Kirche - in den Vatikanischen Grotten unter dem Petersdom. In der Krypta ist ein Grab frei, seitdem Johannes Paul II. heiliggesprochen und in eine Seitenkapelle der Kirche verlegt wurde. Der frei gewordene Platz ist für Benedikt gedacht. Wenn seine Flamme erloschen ist.

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