Regierungskrise in Athen:Papandreou signalisiert Bereitschaft zum Rücktritt

Am Ende eines langen Tages in Athen hat Griechenlands Ministerpräsident Papandreou seine Bereitschaft zum Rücktritt angedeutet. Dies soll er mit mehreren seiner Minister ausgehandelt haben. Das Kalkül dahinter: Wenn Papandreou geht, könnte seine sozialistische Partei an der Macht bleiben und möglicherweise mit der Opposition eine Regierung der Nationalen Rettung bilden.

Griechenlands Premier Giorgos Papandreou hat hoch gepokert - und ist angesichts des massiven Drucks der internationalen Geldgeber doch eingeknickt. An diesem Donnerstag zog er seine umstrittenen Pläne für eine Volksabstimmung über das neue EU-Rettungspaket zurück. Außerdem kündigte der angeschlagene Sozialist an, auf die verfeindete konservative Opposition zugehen zu wollen. Am Abend schließlich war es soweit: Papandreou signalisierte seine Bereitschaft zum Rücktritt. "Ich klebe nicht an meinem Stuhl", sagte Griechenlands Premier im Parlament. Gleichzeitig bekrätigte er, sich am Freitag der Vertrauensfrage stellen zu wollen.

Greek PM Papandreou is surrounded by socialist lawmakers and news photographers before speech to members of parliament from his Socialist party in Athens

Griechenlands Premier Papandreou im Parlament in Athen: Nach einem turbulenten Tag kündigte Papandreou an, mit der Opposition verhandeln zu wollen.

(Foto: REUTERS)

Oppositionschef Antonis Samaras hatte zuvor den Rücktritt Papandreous gefordert. Die Partei von Samaras verließ daraufhin geschlossen den Parlamentssaal. "Ich habe ihn (Papandreou) aufgefordert, erst zurückzutreten. Danach kann es eine Übergangsregierung in Griechenland geben", sagte Samaras im Anschluss.

Aus Regierungskreisen heißt es, Papandreou habe mit Finanzminister Evangelos Venizelos bereits eine Vereinbarung zu seinem Rücktritt getroffen, damit seine sozialistische Partei PASOK an der Macht bleiben kann. Sollten die Minister Papandreou helfen, die Vertrauensabstimmung zu gewinnen, wolle er zurücktreten und Platz für eine Koalitionsregierung mit der konservativen Partei Neue Demokratie und der PASOK zu machen.

"Ihm wurde gesagt, dass er sich ohne großes Aufheben zurückziehen muss, um seine Partei zu retten", sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. "Er stimmte dem Rücktritt zu. Es lief sehr zivilisiert ab, ohne Bitterkeit."

Während seiner Rede im Parlament warf Papandreou Samaras jedoch vor, dass seine Forderungen nicht gleich umsetzbar seien: Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt seien unverantwortlich. "Haben wir etwa eine Regierung parat stehen?", fragte Papandreou.

Die Konservativen setzen sich für Neuwahlen innerhalb von sechs Wochen ein. Bei hochrangigen ND-Quellen hieß es, die Übergangsregierung solle aus Experten und nicht aus Politikern bestehen. "Diese Regierung wird das Land nur solange führen, bis das Hilfspaket unter Dach und Fach ist", sagte ein Mitarbeiter der ND. Danach sollten Neuwahlen stattfinden. Dies könnte sogar bereits im Dezember sein, hieß es.

Zuvor hatte Papandreou die Pläne für sein umstrittenes Referendum aufgegeben. Er sagte, dies sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass Gespräche mit der oppositionellen Nea Dimokratia (ND) zur Bildung einer Übergangsregierung zustande kommen könnten. "Wir werden jetzt verhandeln", kündigte Papandreou an. Der einzige Weg, damit Griechenland in der Eurozone bleibe, sei die Einhaltung der Vereinbarungen mit den Partnern in der EU. "Jetzt geht es darum, das Geleistete nicht zu verlieren." Papandreou würdigte die Geduld der Menschen in Griechenland, die bislang "große Opfer" gebracht hätten.

Papandreou stellt sich am Freitagabend einer Vertrauensabstimmung im Parlament. Deren Ausgang ist ungewiss. Sollte Papandreou das Votum verlieren, würde es zu Sondierungsgesprächen unter der Regie von Staatspräsident Karolos Papoulias kommen - mit dem Ziel, eine neue Regierung zu bilden.

Papandreou muss um Mehrheit bangen

Griechenlands Premier war an diesem Donnerstag massiv unter Druck geraten: Auch zahlreiche Minister und Abgeordnete seiner sozialistischen Regierungspartei PASOK hatten die Bildung einer "Regierung der Nationalen Rettung" angemahnt. Mindestens zwei Abgeordnete erklärten nach Angaben des staatlichen Fernsehens, sie wollten Papandreou das Vertrauen verweigern. Dann hätte Papandreou mit nur noch 150 Mandaten keine Mehrheit mehr im Parlament, das aus 300 Abgeordneten besteht. Nach Informationen der griechischen Presse fordern mindestens vier Minister aus Papandreous Kabinett einen Wechsel an der Spitze der Regierung.

Die ND unter Oppositionsführer Antonis Samaras hatte sich bisher strikt dem strammen und unpopulären Sparkurs Papandreous verweigert; er ist nötig, um im Gegenzug weiter internationale Milliardenhilfen zu bekommen, ohne die Griechenland Mitte Dezember pleite wäre.

Alarmstimmung beim G-20-Gipfel

Bei einer Erklärung Papandreous am Abend klang denn auch an, dass die Referendumspläne dazu dienten, die Opposition zur Kooperation zu bewegen: Die Volksabstimmung sei nie Selbstzweck gewesen, erklärte Papandreou laut seinem Büro bei einer Kabinettssitzung. "Wir hatten ein Dilemma - entweder eine tatsächliche Zustimmung oder ein Referendum", sagte der sozialistische Ministerpräsident der Mitteilung seines Büros zufolge mit Blick auf die bisherige Blockadehaltung der konservativen Opposition.

Das abgesagte Referendum in Griechenland gab dem Dax nach einer Berg- und Talfahrt noch kräftigen Auftrieb. Der überraschend von der Europäischen Zentralbank gesenkte Leitzins stützte ebenfalls und ließ den deutschen Leitindex zeitweise knapp unter die Marke von 6200 Punkte steigen. Mit plus 2,81 Prozent bei 6133,18 Punkten beendete das Börsenbarometer den Handelstag. Der MDax legte um 3,17 Prozent auf 9136,05 Punkte zu, der TecDax gewann 2,45 Prozent auf 699,69 Punkte.

Ein Händler meinte kopfschüttelnd zu den kräftigen Kursausschlägen: "Solch heftige Aufs und Abs mit einer Schwankungsbreite im Dax von rund 360 Punkten an diesem Tag lassen die elektronisch gesteuerten Handelsprogramme rattern und jubeln und die Händler verzweifeln. Mit gesundem Menschenverstand lassen sich die schnellen Richtungswechsel an den Börsen jedenfalls nicht mehr nachvollziehen."

Merkel hält Druck auf Griechenland aufrecht

Am Vorabend hatten Deutschland und Frankreich den Druck auf Griechenland massiv erhöht. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderten das griechische Volk auf, schnellstmöglich über den weiteren Verbleib in der Eurozone zu entscheiden. Auch ein Austritt Athens aus der Währungsunion ist kein Tabu mehr. Sollte das griechische Volk die Auflagen und Forderungen des zweiten Hilfspakets ablehnen, werde man dies akzeptieren. "Aber wir werden auch den Euro nicht aufgeben", sagte die Kanzlerin. Sarkozy und Merkel stellten zugleich klar, dass die nächste Hilfszahlung in Höhe von acht Milliarden Euro so lange nicht überwiesen werden könnte, bis Griechenland das gesamte Paket angenommen habe und jede Unsicherheit über das Referendum beseitigt ist.

Kanzlerin Merkel blieb bei ihrer harten Haltung: "Für uns zählen Taten, nichts anderes", sagte sie mit Blick auf die Ereignisse in Athen. Das Land müsse die Reform- und Spar-Beschlüsse des EU-Gipfels vom 27. Oktober umsetzen. Es sei derzeit nicht ersichtlich, wie das passieren könne. "Ich kann die Taten noch nicht erkennen."

Die Geschehnisse in Griechenland bestimmten auch den Auftakt des G-20-Gipfels in Cannes: Die großen aufstrebenden Volkswirtschaften trafen sich am Rande , um über Hilfen für die Eurozone zu beraten. "Ich denke, wir werden den Ländern der Eurozone irgendeine Art von Unterstützung anbieten", sagte der russische Präsident Dimitrij Medwedjew.

Getagt hätten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. "Heute hat sich alles um das Thema Krise in der Eurozone gedreht und um die extravagante Position Griechenlands, die sich im Verlaufe des Tages mehrfach geändert hat." Er fügte hinzu: "Unsere Kollegen haben Kopfschmerzen wegen der Lage in Griechenland und wegen der in Italien und Spanien."

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