Panzer für Saudi-Arabien: Debatte im Bundestag:"Schwarz-Gelb an der Seite der Despotie"

Saudi-Arabien tritt Menschenrechte mit Füßen. Die Koalition aber erlaubt Panzerlieferungen in das Land. Die Opposition ist empört: In einer Aktuellen Stunde im Bundestag erhebt sie schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

Thorsten Denkler, Berlin

Es darf ja immer noch keiner was davon wissen, von dem Panzerdeal zwischen der deutschen Rüstungsschmiede Krauss-Maffei und Saudi-Arabien. Darum eiern die Redner der Koalition in dieser Aktuellen Stunde des Bundestages etwas herum, wenn sie darüber sprechen, ob der Bundessicherheitsrat die Lieferung genehmigt hat. "Sollte die Entscheidung so getroffen worden sein", sagen sie dann oder: "falls das so war". Dabei ist längst offensichtlich, dass der Bundessicherheitsrat, in dem acht Bundesminister und die Kanzlerin sitzen, das Geschäft genehmigt hat. Nur offiziell ist das nicht. Ist alles streng geheim.

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Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin (hier auf einem Foto vom Februar) wirft der Regierung vor, dass sie Geld über demokratische Rechte stelle.

(Foto: dapd)

Die Koalition verspürt ohnehin wenig Lust, sich auf das sensible Thema einzulassen. Während die Opposition mit SPD-Chef Sigmar Gabriel, Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, und Linken-Fraktionschef Gregor Gysi ihre erste Garde ans Pult schickt, kommen für Union und FDP nur die fachpolitischen Sprecher zu Wort.

Die CDU lässt bezeichnenderweise als ersten Joachim Pfeiffer sprechen, ihren wirtschaftspolitischen Sprecher. Der hat schon in der Fraktionssitzung am Dienstag klar gemacht, dass das ja wohl ein gutes Geschäft sei, das sich sonst sicher andere unter den Nagel reißen würden. Im Bundestag schlägt er ähnliche Töne an und erklärt: Der Export von Panzern für Saudi-Arabien helfe, "unsere technologischen Fähigkeiten im Wehrtechnikbereich zu erhalten". Es sei auch im "volkswirtschaftlichen Interesse" Deutschlands, "dass wir unseren Beschäftigten in der Wehrindustrie auch hier dauerhaft eine Perspektive bieten".

Für Jürgen Trittin ist damit klar: "Geld ist Ihnen offensichtlich wichtiger als demokratische Rechte." Der Grüne erinnert an das Versprechen des liberalen Außenministers Guido Westerwelle, die Freiheitsbewegungen in den arabischen Ländern unterstützen zu wollen. Saudi-Arabien aber gehört zu den Ländern, die geholfen haben, die Demokratiebewegung in Bahrain blutig zu unterdrücken, erklärt Trittin.

"Wo steht Deutschland, wo steht Herr Westerwelle, wo steht Herr Rösler, wo steht Frau Merkel?", fragt der Grünen-Fraktionschef. Und liefert die Antwort gleich mit: "Alle drei stehen nicht auf der Seite der Demokratie. Schwarz-Gelb steht an der Seite der Despotie".

Westerwelle wird später noch einmal ausgiebig vom Linken-Politiker Jan van Aken zitiert: In den Vereinten Nationen setze Deutschland sich dafür ein, dass "Regime, die Menschenrechte mit Füßen treten, nicht mehr legal mit Waffen beliefert werden können". Nach dem Panzer-Geschäft fragt er sich: "Wer soll Ihnen noch etwas glauben hier?"

Gregor Gysi wünscht sich, dass Deutschland eine Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen hätte: "dass wir nie wieder an Kriegen verdienen wollen". Stattdessen sei Deutschland der drittgrößte Waffenverkäufer der Welt. "Das ist überhaupt nicht zu fassen nach unserer Geschichte".

"Auf der Seite der feudalen Herrschaftshäuser"

Für die FDP bestreitet der wirtschaftspolitische Sprecher Martin Lindner die schwierige Menschenrechtslage in Saudi-Arabien gar nicht. Die könne "ernsthaft niemand schönreden". Saudi-Arabien aber sei ein stabilisierender Faktor im Nahen Osten. Die Panzerlieferung sei deshalb im "Sicherheitsinteresse unseres Hauptverbündeten Israel", um der wachsenden Bedrohung durch Iran etwas entgegenzusetzen.

So sieht es auch Philipp Mißfelder, außenpolitscher Sprecher der Unionsfraktion. Er will von SPD und Grünen keine "Sonntagsreden" mehr zur Sicherheit Israels hören, wenn sie nicht bereit seien, den Kurs der Regierung mitzutragen: "Wenn es darum geht die Bedrohung durch Iran ernst zu nehmen, sind Sie ein absoluter Totalausfall."

SPD-Chef Sigmar Gabriel hält der Koalition dagegen vor, die Rüstungsexportrichtlinie zu missachten, wenn sie Waffenlieferungen in ein Land billige, das so eklatant gegen Menschenrechte verstoße.

Gabriel zitiert die Kanzlerin, die erklärt hatte, es sei eine "historische europäische Verpflichtung", der Demokratiebewegung des Arabischen Frühlings zur Seite zu stehen. Heute aber stehe sie "auf der Seite der feudalen Herrschaftshäuser, die die Demokratiebewegung unterdrücken", stellt Gabriel fest.

Er vermutet dahinter eine Art Wiedergutmachungsleistung an die Amerikaner. Die sind immer noch irritiert wegen der deutschen Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zur Libyen-Resolution. Die Regierung habe jetzt Deutschlands Interessen an die Verbündeten "preisgegeben".

Wenn jetzt der Eindruck entstanden ist, die Koalitionsfraktionen stünden voll und ganz hinter dem Panzergeschäft, dann täuscht das. Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz, und die Menschenrechtssprecherin der Union, Erika Steinbach, hatten den Deal in der Fraktionssitzung am Dienstag scharf verurteilt. In der Debatte heute fehlen sie.

Aber wenigstens ist sich FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner nicht zu schade, Kritik an der Informationspolitik der Bundesregierung zu äußern. Es sei "auf Dauer nicht zumutbar, dass sich die beteiligten Minister ausschließlich unter dem Schirm der Geheimhaltung verstecken", sagt er. Da aber keiner der angesprochen Minister mit Sitz im Sicherheitsrat anwesend ist, verhallt der Appell ungehört.

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