Süddeutsche Zeitung

Transportpanzer für Ägypten:Beihilfe zur Unterdrückung

Er ist elf Tonnen schwer und sechs Meter lang, Kenner loben seine Vielseitigkeit. Ägyptens Armee setzt bei der blutigen Niederschlagung von Protesten einen Radpanzer ein, den es ohne deutsche Hilfe nicht gäbe. Die Regierung denkt über einen Stopp von Waffenlieferungen nach. Die Opposition wirft Kanzlerin Merkel vor, zweimal den gleichen Fehler gemacht zu haben.

Von Daniel Brössler, Berlin

Fachleute rühmen den Radpanzer Fahd wegen seiner Vielseitigkeit. Er könne, heißt es auf der Webseite von Military Today, ebenso zum Minenverlegen eingesetzt werden wie auch als "Fahrzeug der Polizei und inneren Sicherheit". Was das konkret bedeutet, hat die Weltöffentlichkeit vergangene Woche zu sehen bekommen. Fernsehbilder dokumentieren, dass beim brutalen Einsatz der ägyptischen Armee gegen Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi die elf Tonnen schweren und sechs Meter langen Ungetüme mit dabei waren. Bilder sind das, die von der Bundesregierung mit besonderem Unbehagen ausgewertet werden müssten. Zwar stammt der Fahd aus ägyptischer Produktion, ohne deutsche Hilfe aber gäbe es ihn nicht.

Das von der ägyptischen Kader Factory for Developed Industries hergestellte Fahrzeug basiert auf einem alten deutschen Modell, dem TH390 des einstigen Herstellers Thyssen Henschel. Bis in die jüngste Vergangenheit kamen bei der Produktion deutsche Teile zum Einsatz. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion geht hervor, dass bis 2012 Jahr für Jahr Bestandteile und Komponenten für den Radpanzer nach Ägypten geliefert wurden. Der Umfang variierte. So wurde der Wert 2011 auf knapp 56 Millionen Euro beziffert, in den drei Jahren davor waren es jeweils zwischen 17,3 und 18,5 Millionen Euro.

Aus der Antwort geht auch hervor, dass der Bundesregierung die mögliche Nutzung des Fahd gegen Demonstranten bewusst ist. Sie habe Kenntnis von einem Bericht des ägyptischen Menschenrechtsrates, "nach dem am 9. Oktober 2011 bei Demonstrationen vor dem Fernsehgebäude Maspero mindestens zwei gepanzerte Truppenfahrzeuge mutwillig in die Menschenmenge gelenkt wurden und dabei bis zu zwölf Personen ums Leben kamen".

Auf die Gewalt in Ägypten hat die Bundesregierung nun zunächst mit einem Stopp neuer Exportgenehmigungen reagiert. Anträge auf Genehmigungen für den Export von Rüstungsgütern nach Ägypten werden nach Angaben des zuständigen Wirtschaftsministeriums zurückgestellt oder abschlägig beschieden. Im ersten Halbjahr 2013 waren nach Angaben der Bundesregierung noch Rüstungsgüter im Wert von 13,19 Millionen Euro nach Ägypten geliefert worden. Angeblich handelte es sich hauptsächlich um Marine- und Telekommunikationsausrüstung.

Die Opposition sieht durch die Vorgänge in Ägypten einmal mehr die deutsche Rüstungsexportpolitik diskreditiert. "Es ist armselig, dass die Bundesregierung in Ägypten zweimal den gleichen Fehler macht: Erst rüstete sie den Diktator Mubarak auf. Nach seinem Sturz gab es eine kurze, schamvolle Pause bei den Waffenlieferungen, dann hat Deutschland munter weiter geliefert - und jetzt wird damit wieder unterdrückt", kritisierte der außenpolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Jan van Aken.

Nur Frankreich hat noch mehr Waffen nach Ägypten geliefert

"Die Bundesregierung zieht, gezwungen durch das brutale Vorgehen der ägyptischen Machthaber, die rüstungsexportpolitische Notbremse", sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich. Damit erweise sich die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "als komplett gescheitert", Staaten durch Rüstungsexporte dazu zu ertüchtigen, für Sicherheit und Frieden in ihrer Region zu sorgen.

Merkel hatte am Wochenende einen Stopp von Waffenlieferungen nach Ägypten ins Gespräch gebracht. Dieser soll auch Thema eines für diesen Mittwoch geplanten EU-Außenministertreffens zu Ägypten sein. 2011 sollen Rüstungsgüter im Wert von 303 Millionen Euro aus der EU nach Ägypten geliefert worden sein. Mit einem Anteil von 74,2 Millionen Euro war Deutschland zweitgrößter Lieferant nach Frankreich.

Die Bundesregierung prüft derzeit die gesamte Zusammenarbeit mit Ägypten, die im Rahmen einer "Transformationspartnerschaft" zuletzt intensiviert worden war.

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SZ vom 20.08.2013/liv
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