Der Waffenhersteller Heckler & Koch wollte wegen Enthüllungen über das Gewehr G36 den Militärischen Abschirmdienst (MAD) einschalten und wurde bei diesem Vorhaben von der Rüstungsabteilung des Verteidigungsministeriums unterstützt. Das geht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus einem als "Verschlusssache - Vertraulich" eingestuften Dokument hervor, zu dem die Opposition am Mittwoch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der Sitzung des Verteidigungsausschusses befragt hat.
Fehlerhaftes Sturmgewehr:De Maizière wusste seit Jahren über G36-Probleme Bescheid
Bei Dauerfeuer schießt das Sturmgewehr G36 nicht zielgenau. Das Verteidigungsministerium wusste das bereits vor drei Jahren. Kurze Zeit später ergab ein Test aber, die Waffe sei "grundsätzlich tauglich".
Entstanden ist die Vorlage in der Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung im Februar und März 2014. In Auftrag gegeben hatte sie noch Staatssekretär Stéphane Beemelmans, unmittelbar bevor von der Leyen ihn entließ, weil sie sich unzureichend über die Probleme im Rüstungswesen informiert fühlte. Als das Papier entstand, hatte eine von zahlreichen Untersuchungen des Gewehrs gerade ergeben, dass dessen Präzisionsprobleme nicht an der Waffe selbst, sondern an der Munition lägen. Das allerdings wurde später durch weitere Tests klar widerlegt.
Bundeswehr:Wehrbeauftragter nimmt von der Leyen in Schutz
Noch wenige Wochen ist Hellmut Königshaus im Amt. Im Interview mit der SZ spricht er über die Affäre um das mangelhafte Sturmgewehr G36 - und wer dafür die Verantwortung trägt.
"Petitum des Tätigwerdens"
Die "laufende mediale Thematisierung des G36", heißt es in dem Dokument unter der Zwischenüberschrift "Einschaltung Militärischer Abschirmdienst", sei "Teil einer gesteuerten Kampagne gegen den Hersteller Heckler & Koch und gegen die Bundeswehr". Am 20. November 2013, so das Dokument, hätten "die Geschäftsführer des Unternehmens" (also von Heckler & Koch) den damaligen Präsidenten des MAD besucht - "mit dem Petitum des Tätigwerdens". Dies sei wegen der "systemischen Bedeutung" der Firma für die Bundeswehr geschehen, außerdem wegen "der bereits jahrelangen negativen und in Teilen falschen Medienberichterstattung" sowie "der Bestrebungen, das Unternehmen von dritter Seite zu übernehmen".
An der Spitze der Rüstungsabteilung wurde das Vorhaben demnach unterstützt: In einem Telefonat sowie in einem Schreiben hätten der damalige Abteilungsleiter (den von der Leyen bald danach auf einen anderen Posten versetzte) und sein Stellvertreter "ebenfalls ein Tätigwerden des MAD befürwortet", heißt es in der Vorlage. Im Schreiben des damaligen Abteilungsleiters seien "sicherheitsrelevante Gründe für die Zuständigkeit des MAD in dieser Angelegenheit aufgezeigt worden", so das Dokument. Der MAD-Präsident ließ jedoch kurz vor Weihnachten 2013 wissen, es gebe keine "Bearbeitungszuständigkeit" seiner Behörde.
Die Verteidiger des Gewehrs wollten gegen die Kritiker vorgehen
Aus der Vorlage geht auch hervor, dass die Verteidiger des Gewehrs innerhalb des Ministeriums gegen die Kritiker vorgehen wollten, nachdem sich die Munition als vermeintlicher Grund für die Präzisionsprobleme erwiesen hatte. So ist zu in der Vorlage von "fehlerhaften Folgerungen" der Wehrtechnischen Dienststelle 91 (WTD 91) die Rede - jener Institution also, die sich nach Meinung mancher im Ministerium stets viel zu kritisch mit dem Gewehr auseinandergesetzt hatte.
Die Gründe für das "aus wissenschaftlicher Sicht unverständliche" Vorgehen der WTD 91 sowie "das Verhalten der unmittelbar und mittelbar mit der Thematik befassten Mitarbeiter bedarf noch weiterer Aufklärung", heißt es nach SZ-Informationen in dem Dokument. Es sprächen "Indizien dafür, dass die Bearbeitung der in Rede stehenden Thematik teilweise von dem subjektiven Interesse geleitet war, das Gewehr G36 zu diskreditieren". Vor diesem Hintergrund werde derzeit "die Angelegenheit dienstaufsichtlich untersucht".
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Das Standardgewehr der Bundeswehr soll ausgemustert werden, doch viele Soldaten schätzen das G36. Unsere Leser vermuten hinter der Kritik am Sturmgewehr gar eine Kampagne gegen den deutschen Waffenhersteller Heckler und Koch.
Das Dokument lag vor gut einem Jahr auch im Büro von der Leyen vor, doch die Ministerin bekam es nach Angaben eines Sprechers nicht zu Gesicht. Von der Leyen kritisierte nach der Sitzung des Ausschusses, dass es innerhalb des Ministeriums zu lange gedauert habe, bis "die widersprüchlichen Bewertungen" der Probleme zusammengeführt worden seien. Die Opposition warf von der Leyen mangelnden Aufklärungswillen vor: Nach wie vor seien die zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht vollständig.
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