Streit um Gleichstellung der Homo-Ehe:Sechs Stunden Schachern

Taktieren im Vermittlungsausschuss: Über die Verhandlungen zum Jahressteuergesetz wollten SPD und Grüne erreichen, dass die Gleichstellung der Homo-Ehe im Bundestag beschlossen wird. Doch nun ist die Abstimmung verschoben - die Opposition hat eine Frist verpasst.

Von Guido Bohsem und Nico Fried, Berlin

Nach knapp sechs Stunden Verhandlungen gibt es an diesem späten Mittwochabend eigentlich nur noch eine Frage zu klären: Wer darf zuerst? Wer darf als Erster ans Mikrofon treten, um die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat parteipolitisch einzuordnen.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, schaut seinen Amtskollegen von der SPD an und tippt sich mit dem Zeigefinger auf die Brust. Thomas Oppermann nickt. Als es dann wenige Minuten später losgeht, schiebt sich Oppermann schnell vors Mikro und fängt an zu reden. Und Grosse-Brömers Mundwinkel fallen in Richtung seiner Schuhsohlen.

Oppermann verkündet nämlich genüsslich, wie SPD und Grüne - und auch ein klein wenig die FDP - der Union eine Falle gestellt haben. Was er zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht weiß, ist, dass die Falle ein wenig zu spät gestellt wurde und nun gar nicht mehr zuschnappen kann.

Das klingt kompliziert, ist es aber gar nicht. Man muss nur zwei Dinge wissen: Erstens hat Schwarz-Gelb keine Mehrheit im Vermittlungsausschuss. Und zweitens stand außer vier anderen Gesetzen auch das Jahressteuergesetz auf der Tagesordnung des Ausschusses. Fast jeder Punkt dieses reichlich langen Gesetzes konnte in den Verhandlungen mit einem Kompromiss abgeschlossen werden.

Jeder, bis auf die Homo-Ehe - und eben genau hier sollte die Falle liegen. Alle Parteien im Bundestag sind dafür, das Ehegattensplitting auch für die gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften einzuführen. Einzig die Union ist dagegen. Auf dem Parteitag in Hannover vor zwei Wochen hatte sich die CDU nach einer heftigen Debatte noch einmal klar gegen eine steuerliche Gleichstellung ausgesprochen.

Mit den Stimmen der roten und der grünen Politiker beschloss nun der Vermittlungsausschuss das Jahressteuergesetz inklusive Homo-Ehe. Union und die FDP sollten so gezwungen werden, den Beschluss an diesem Freitag im Bundestag abzulehnen. Was eine Tortur ist, denn viele Abgeordnete der Union und die ganze FDP sind eigentlich gar nicht gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe - sondern dafür. Er sei "optimistisch, dass wir im Bundestag eine Mehrheit bekommen", freute sich SPD-Parlamentsgeschäftsführer Oppermann.

Verpasste Fristen durch Taktierei

Am Donnerstag stellte sich allerdings heraus, dass diese Rechnung nicht aufgehen wird. Denn wegen der ganzen Taktiererei haben die 32 Mitglieder des Vermittlungsausschusses die notwendigen Fristen nicht eingehalten. Die Unterlagen hätten spätestens um Mitternacht in den Fächern der Abgeordneten des Bundestages liegen müssen. Sie trafen aber eine halbe Stunde später ein. Eine Krisensitzung im Ältestenrat brachte keine Klärung. Die Union und die FDP beharrten auf die Fristen.

Das Ergebnis lautet nun, dass kein Ergebnis des Vermittlungsausschusses an diesem Freitag im Bundestag beraten werden kann. Damit kommt nicht nur die Homo-Ehe und das Jahressteuergesetz nicht, sondern zunächst auch nicht die ebenfalls beschlossene Anhebung des Grundfreibetrages, der 2013 eine Entlastung von 2,5 Milliarden Euro bringen soll.

Und die neue Regelung zum Reisekostenrecht? Soll ebenfalls im Januar beraten werden. Die von der Koalition vorgeschlagene Milderung der kalten Progression, durch die Lohnerhöhungen in steigendem Maße durch höhere Steuern aufgefressen werden, hätte ohnehin nicht kommen sollen. Soviel war klar im Vermittlungsausschuss.

Diese Entwicklung dürfte nun wiederum Oppermanns Mundwinkel nach unten bewegt haben. Erkennbar angesäuert lässt er verlauten: "Die Koalition hat offensichtlich Angst vor der Abstimmung über die steuerliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften." Dann werde der Bundestag eben im Januar darüber beraten.

Aus der Union spricht hingegen die Zufriedenheit. Man lasse sich von SPD und Grünen nicht unter Druck setzen. Alle Themen hätten über Wochen im Vermittlungsausschuss gelegen. Da hätte man sich längst schon verständigen können. Den Bürgern entstehe ohnehin kein Schaden, sagte ein Sprecher, weil die Anhebung des Grundfreibetrages auch 2103 rückwirkend zum 1. Januar beschlossen werden könne. All das habe selbstverständlich nichts mit der steuerlichen Gleichbehandlung der Homo-Ehe zu tun. "Die SPD soll keine Legenden aufbauen. Die Koalition wird da geschlossen abstimmen."

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