Süddeutsche Zeitung

Pandora Papers:Hunderte Politiker nutzen Steueroasen

35 amtierende und frühere Staats- und Regierungschefs verschleiern ihr Vermögen mithilfe von Briefkastenfirmen. Dies zeigt ein neues Datenleck - die Pandora Papers.

Von Hannes Munzinger, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Ralf Wiegand, München

Hunderte Politiker und Amtsträger aus aller Welt verstecken ihr Geld in Steueroasen. In einem neuen Datenleck finden sich mehr als 330 Politiker und Amtsträger aus fast 100 Ländern - darunter 35 amtierende und frühere Staatslenker -, die ihr Vermögen mithilfe von intransparenten Trusts, Stiftungen und Briefkastenfirmen angelegt haben. So hat der tschechische Premierminister Andrej Babiš internen Unterlagen des panamaischen Finanzdienstleisters Alcogal zufolge über Briefkastenfirmen ein französisches Chateau gekauft - offenbar ohne dies, wie vorgeschrieben, in seiner Heimat offenzulegen. Babiš ließ Anfragen dazu unbeantwortet. In Tschechien sind am Freitag und Samstag Wahlen.

Der jordanische König Abdullah II. kaufte laut den vorliegenden Dokumenten über mehrere Briefkastenfirmen Immobilien in Großbritannien und den USA im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar - unter anderem aus Gründen der Anonymität und zum Schutz seiner Familie, ließ er mitteilen. Mit etlichen Firmen und Immobilien habe er außerdem gar nichts zu tun. Welche dies seien, erläuterten seine Anwälte nicht. Kenias Präsident Uhuru Kenyatta taucht in den Daten im Zusammenhang mit einer vermögenden Stiftung aus Panama auf, deren Existenz bislang nicht öffentlich bekannt war. Eine Anfrage dazu ließ er unbeantwortet.

Die Dokumente zeigen auch, wie etliche Männer und Frauen, die parallel zu Wladimir Putins Aufstieg zum Präsidenten Russlands Geld und Einfluss erlangten, ihr Vermögen in Steueroasen angelegt und verschleiert haben. Während Putin das Offshore-System immer wieder als "unpatriotisch" gegeißelt hatte, haben etliche seiner Vertrauten genau dort investiert. Eine Frau, die unbestätigten Berichten zufolge mit Putin liiert gewesen sein soll, taucht als Eigentümerin einer Briefkastenfirma auf, die nur wenige Wochen nach der Geburt ihrer Tochter gegründet wurde und ein 3,6 Millionen teures Luxusapartment im Fürstentum Monaco zum Inhalt hatte. Die Frau stammt aus armen Verhältnissen. Auf eine Anfrage antwortete sie nicht.

Dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) wurden insgesamt 11,9 Millionen bislang geheime Dokumente von 14 in Steueroasen tätigen Finanzdienstleistern zugespielt. Mehr als 600 Journalistinnen und Journalisten aus aller Welt haben die Unterlagen ausgewertet. In Deutschland waren die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR an den Recherchen beteiligt. Die Ergebnisse werden unter dem Titel "Pandora Papers" veröffentlicht.

Die Pandora Papers sind das bislang größte Leak an Unterlagen zu Geschäften in Steueroasen. Die Dokumente belegen, dass das Geschäft mit Briefkastenfirmen auch nach weltweit beachteten Veröffentlichungen wie den Panama Papers weiterging, mit neuen Tricks. So wurden nach den Panama-Enthüllungen viele Millionen Dollar aus Steueroasen in der Karibik und Europa nach South Dakota transferiert - einer der wichtigsten US-amerikanischen Steueroasen. "Die USA kritisierten den Rest der Welt, haben aber im eigenen Hinterhof sehr, sehr ernste Probleme", moniert Yehuda Shaffer, der ehemalige Chef einer israelischen Spezialeinheit zur Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption.

Je nach Schätzung werden zwischen 5,6 und 32 Billionen Dollar in Steueroasen versteckt. In den Pandora Papers sind mehr als 130 Milliardäre aus aller Welt zu finden, die meisten von ihnen, 52, stammen aus Russland. Experten kritisieren seit Jahren, dass Steueroasen zu wachsender sozialer Ungleichheit beitragen.

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