Pandemie:Das italienische Trauma

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Ohne „mascherina“, also ohne Maske, geht in Italien nun auch im Freien nichts mehr - einige der wenigen Touristen auf der Spanischen Treppe in Rom. (Foto: Gregorio Borgia/AP)

Die Regierung in Rom verschärft noch einmal die Maskenpflicht, einheitlich für das ganze Land.

Von Andrea Bachstein

Ohne "mascherina", also ohne Maske, geht in Italien spätestens seit März keiner aus dem Haus. Denn ohne Mund-Nasen-Schutz darf man nirgendwo hinein außer in die eigene Wohnung. Seit Donnerstag muss man sie nun aber bereits anlegen, wenn man die Wohnung verlässt - sie ist auch auf der Straße obligatorisch - landesweit. Nur Kinder bis sechs Jahre sind ausgenommen und Menschen, deren Gesundheit es nicht erlaubt. Verstöße kosten Bußen bis zu 1000 Euro. Bisher verlangten nur einige Regionen, so Latium mit der Hauptstadt Rom oder Kampanien mit der Millionenstadt Neapel, die Maske im Freien zu tragen.

Die Regierung in Rom hat nun per Dekret flächendeckende Maskenpflicht beschlossen und den Corona-Notstand bis Ende Januar verlängert. Regionen können in Absprache mit Rom sogar noch schärfere Maßnahmen anordnen, wenn es die Entwicklung erfordert. Denn die Covid-19-Infektionen steigen auch im bel paese wieder. Nach dem Tiefststand Mitte Juli begannen die Fälle im Lauf der Sommerferien mehr zu werden, wie fast in ganz Europa. Auch in Italien trifft es nun vor allem die Jungen. Doch liegen die Zahlen weiter deutlich unter denen vieler anderer EU-Länder. Von Mittwoch auf Donnerstag wurde erstmals seit Mitte April die Schwelle von 3000 Neuinfektionen am Tag überschritten, 3678 waren es. Das hat auch, allerdings nicht nur, damit zu tun, dass überall mehr getestet wird. In Rom etwa stehen lange Autoschlangen an Teststationen, bis zu sieben Stunden warten die Menschen.

Dass die zweite Corona-Welle in Italien eher niedrig anschwappt, erklärt Premier Giuseppe Conte so: "Dahinter steckt kein Wunder, sondern die Opferbereitschaft der ganzen Nation", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Mit der Erinnerung an die schlimme Frühphase der Pandemie stellen wir uns jetzt im Geist der Verantwortlichkeit und der Vorsicht der aktuellen Phase." In der Tat haben sich die allermeisten Italiener bisher mit großer Disziplin verhalten, auch in den Monaten des sehr strengen Lockdown. Wie überall haben junge Leute beim Feiern in diesem heißen Sommer gelegentlich Abstands- und Hygieneregeln vergessen, dennoch lässt sich überall sehen, dass Respekt und Furcht vor dem Virus noch groß sind.

Niemand vergisst, wie fürchterlich die Seuche zwischen März und Mai im Norden, der Lombardei, dem Piemont, Venetien und in der Emilia-Romagna, wütete. Damals war der größte Teil der gut 36 000 Todesfälle zu beklagen. Auch später, in größter Sommerhitze, sah man viele Maskierte auf den Straßen, auch da wo es nicht Vorschrift war. Einweghandschuhe in Supermärkten, Fieberkontrollen vor Shoppingzentren, Hotels, Flughäfen sind normal. In der ersten Welle blieb Italien südlich der Toskana weitgehend verschont von der Seuche, inzwischen steigen in der Südhälfte die Zahlen, teils mehr als im Norden. So gab es zuletzt in Rom 221 Neuinfizierte am Tag, in Mailand 181. Kampanien mit knapp sechs Millionen Menschen führt nun mit gut 540 Neuinfektionen die Statistik an.

Es bleibt übrigens die Chance, masken-los durch Straßen und über Plätze zu streifen - als einsamer Nachtbummler etwa. Da, wo man auf keine anderen treffen kann, darf "la mascherina" in der Tasche bleiben.

© SZ vom 09.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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