Süddeutsche Zeitung

Panama Papers:Stur bis zum Ende

Die Kanzlei Mossack Fonseca stand im Mittelpunkt der Enthüllungen um verstecktes Vermögen. Nun soll das Hauptquartier der Skandalfirma in Panama offenbar schließen. Die bisherigen Chefs haben angeblich neue Pläne.

Von Bastian Obermayer und Frederik Obermaier

15 Monate lang hatte Mossack Fonseca versucht, das Ende abzuwenden. Die panamaische Anwaltskanzlei im Zentrum der Panama Papers hatte eine eigene Homepage eingerichtet, um Hunderten kritischen Medienberichten entgegenzutreten. Die beiden Eigentümer, Ramon Fonseca und sein deutscher Compagnon Jürgen Mossack, hatten versucht, in Interviews Dinge zu relativieren, die kaum zu relativieren waren, und auf Twitter hatte Fonseca Kritiker aus aller Welt scharf angegriffen. Die Verteidigungslinie war immer: Wir haben nichts Illegales getan, wir haben doch nur Briefkastenfirmen verkauft, nicht wissend, was unsere Endkunden damit machen werden.

Ihre Endkunden aber waren eben nicht nur gewöhnliche Steuerhinterzieher oder Kleinkriminelle, wie die 2,6 Terabyte interner Mossack-Fonseca-Daten belegen, die ein anonymer Informant der Süddeutschen Zeitung zugespielt hatte. Sondern es waren eben auch Premierminister und Diktatoren, die zum Teil unrechtmäßig Geld versteckten; und schlimmer noch: Drogenkartelle, Mafia-Clans, Waffendealer, Regime wie Nordkorea oder Iran. Das zu relativieren war von Anfang an ein aussichtsloses Unternehmen, zumal in den Panama Papers Belege zu finden waren, dass die Kanzleigründer sehr wohl wussten, mit wem sie da Geschäfte machten.

Nun soll angeblich Schluss sein: Mossack Fonseca will nach Informationen der SZ das Hauptquartier in Panama-Stadt schließen, womöglich schon am kommenden Montag. Bis Redaktionsschluss antwortete Mossack Fonseca nicht auf eine entsprechende Anfrage. Zuvor hatte die Kanzlei schon etliche Filialen rund um die Welt abgewickelt.

Die Panama-Papers haben seit ihrer Enthüllung im April 2016 manches angestoßen: Das Europäische Parlament setzte einen Untersuchungsausschuss ein, die EU-Antikorruptionsbehörde OLAF nahm Ermittlungen auf, ebenso angeblich das US-Justizministerium. Mehr als 100 Ermittlungsverfahren wurden weltweit eingeleitet. Tendenz steigend, denn mittlerweile ist das Bundeskriminalamt offenbar im Besitz von fast drei Terabyte Mossack-Fonseca-Daten - und bereit, mit ausländischen Behörden zusammenzuarbeiten.

Das große Problem von Mossack Fonseca (Mossfon) war aber allem Anschein nach nicht der internationale Druck, sondern dass ihr Umsatz rapide eingebrochen war. Weil die Kanzlei durch das Leak verlor, was sie im Innersten ausgemacht hatte: Verschwiegenheit, Geheimhaltung, Intransparenz. Plötzlich waren die wahren Eigentümer Tausender Briefkastenfirmen öffentlich, dazu vertraulicher Mailverkehr, Kopien von Pässen und andere Dokumente. Hunderte Kunden, die zu Mossack Fonseca gekommen waren, weil sie ihre Geschäfte im Dunklen abwickeln wollten, standen auf einmal im Licht der internationalen Presse. Wer würde Mossfon je wieder sensible Daten anvertrauen - nachdem 11,5 Millionen interne Dokumente den Weg zur SZ gefunden hatten?

Aber nicht nur für zwielichtige Kunden, sondern auch für solche, die legale Geschäfte machen wollten, war Mossack Fonseca keine Option mehr. Durch die Panama Papers war die Firma auf einmal von einer allgemein unbekannten, panamaischen Kanzlei zu einer weltweit bekannten Firma geworden, die für schmutzige Geschäfte stand. Wer wollte schon mit einer Firma zu tun haben, deren Besitzer monatelang im Gefängnis saßen, und erst vor ein paar Wochen auf Kaution freikamen? Fahnder hatten den Stammsitz der Kanzlei in Panama durchsucht, ebenso Büros in El Salvador und in Peru.

Längst hat auch der panamaische Präsident Juan Carlos Varela seinen Freund Ramon Fonseca fallen lassen. "Er wird sich seiner Verantwortung stellen müssen - und am Ende auch dem Richter", hatte Varela im Oktober über jenen Mann gesagt, der lange Zeit sein wohl wichtigster Berater und Vize-Parteichef war. In Panama laufen die Ermittlungen gegen Fonseca und Mossack weiter. Sie stehen im Verdacht, bei Betrug und Geldwäsche im größten Skandal Lateinamerikas, dem Lava-Jato-Skandal, verwickelt zu sein. In Deutschland hat die Staatsanwaltschaft Köln bereits Ende 2014 ein Verfahren gegen Jürgen Mossack eingeleitet. Es geht um den Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und den Verdacht der Geldwäsche.

Schon im Laufe des vergangenen Jahres hatte Mossack Fonseca mehrere Filialen - darunter jene auf Jersey, der Isle of Man und in Gibraltar - geschlossen, andere werden gerade abgewickelt. Aus Firmenkreisen ist zu hören, dass seit Veröffentlichung der Panama Papers eigentlich nur noch in der Schweiz Gewinn gemacht worden sei. In den anderen noch verbliebenen Standorten weltweit herrscht Flaute. Zahlreiche Mossfon-Kunden kappten in den vergangenen 15 Monaten ihre Beziehungen zur Skandalfirma und ließen ihre Briefkastenfirmen entweder löschen oder zu einem anderen Dienstleister umziehen. Eines ist klar: Das Geschäft mit den Offshorefirmen wird auch nach dem Ende von Mossack Fonseca weitergehen, wenn auch vermindert. Die Branche war schon vor den Panama Papers in der Krise, die massive, weltweite Kritik nach den Veröffentlichungen und etliche darauf folgende Gesetzesänderungen rund um den Globus brachten die Offshore-Anbieter in Verteidigungshaltung, und jeden, der sich öffentlich zu Offshoregeschäften bekennt.

Die Einzigen, die keinen Ruf mehr zu verlieren haben, sind vermutlich Ramon Fonseca und Jürgen Mossack selbst. Die beiden wollen angeblich jetzt, wo sie ihre Kanzlei in Panama offenbar aufgeben, gemeinsam ein Buch schreiben über all das, was im vergangenen Jahr über sie hereingebrochen ist. Und das ist tatsächlich eine Menge.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3607400
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.