Wladimir Putin hat, wieder mal, Bemerkenswertes von sich gegeben. Nachdem die Süddeutsche Zeitung ihn vor mehr als drei Wochen mit dem Ergebnis ihrer Recherchen zum auffälligen Reichtum einiger seiner engsten Freunde konfrontiert und um Stellungnahme gebeten hatte, antwortete er nicht auf die Fragen. Stattdessen ließ er seinen Sprecher Dmitrij Peskow öffentlich erklären, es sei in den nächsten Tagen mit einer Kampagne, ja gar einer "Informationsattacke" westlicher Medien zu rechnen. In Kriegs-Terminologie verharrend, verkündete Peskow schon damals, hinter diesen "Diffamierungen" steckten Geheimdienste, die Russland destabilisieren und Putin diskreditieren wollten.
Diese Woche nun hat Putin persönlich nachgelegt. Live, vor Millionen Zuschauern, wiederholte er in seiner jährlichen Fernsehshow, hinter den Panama Papers steckten Mitarbeiter amerikanischer Behörden, sprich Geheimdienste der USA. Als Beleg dafür, dass hier finstere Mächte am Werke seien, nannte er dem Publikum: Die ersten Berichte über die Panama Papers seien in der Süddeutschen Zeitung erschienen, die einer Medienholding gehöre, deren Gesellschafter wiederum die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs sei. Die Logik: Amerikanische Eigentümer, amerikanisches Geld, amerikanische Interessen, anti-russische Ziele.
Er hätte es wissen müssen
Dass die Geschichte mit Goldman Sachs nicht stimmt, hätte Putin wissen können, um nicht zu sagen: Er hätte es wissen müssen. Es ist bekannt, dass die Fragen, die Bürger dem Präsidenten in der Sendung "Der direkte Draht" stellen, vorher eingereicht, ausgesucht und Antworten vorbereitet werden. Also haben Putins Getreue auch Informationen über die Süddeutsche Zeitung zusammengestellt, wie Peskow am Freitag bestätigte. Bei der Akribie, mit der der Kreml sonst seinen Präsidenten informiert, wäre es erstaunlich, wenn dieses Dossier diesmal einen so eklatanten Fehler enthalten hätte.
Wie dem auch sei - Putin erzählte etwas Falsches und verknüpfte das mit einer Diffamierung des Blattes. Am Freitag nahm sein Sprecher Peskow die Behauptung über den angeblichen Eigner Goldman Sachs zurück und entschuldigte sich dafür. Das ist erfreulich und gut.
Im Ergebnis aber bleibt, dass Millionen Russen in Funk und Fernsehen gehört haben, dass die Süddeutsche eine vom US-Großkapital gesteuerte Zeitung sei, die Putin böse mitspiele. Die Berichtigung dagegen erfolgte nicht vor einem Millionenpublikum im Fernsehen, sondern versendete sich. Von ihr wird in Russland - anders als in Deutschland - kaum jemand Notiz nehmen. Das dürfte ganz im Sinne des Präsidenten sein, dessen Adressat ja das heimische Publikum ist. Er zielt darauf, die Glaubwürdigkeit all jener Medien zu beschädigen, die sich in den vergangenen Monaten an der Recherche zu den Panama Papers beteiligt haben, und bedient sich dabei der klassischen Mittel von Propaganda und Desinformation.
Interessanterweise hat Putin bei seinem Auftritt auch erstmals bestätigt, dass die von der SZ veröffentlichten Informationen "wahrheitsgetreu" seien. Aber es handele sich, so Putin, eben um "Provokationen", hinter denen Geheimdienste steckten. Diese Behauptung von Putin ist genauso falsch wie seine Behauptung, die SZ gehöre Amerikanern.