Es ist ein hilfloser Aufruf in verzweifelter Lage: "Mahmud Abbas, Präsident des Staates Palästina, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die Weltgemeinschaft aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass unsere Schwestern und Brüder in Syrien in palästinensisches Gebiet kommen können."
Mit seinem Angebot, sich vor dem Bürgerkrieg ins Westjordanland zu retten, bittet Abbas um etwas, was ihm so kaum erfüllt werden wird. Allein aus dem umkämpften Lager Jarmuk in Damaskus scheinen sich Zehntausende Flüchtlinge auf der Flucht zu befinden, erst einige wenige Tausend von ihnen sind in Libanon eingetroffen, die meisten der Vertriebenen sollen elend in Damaskus auf der Straße und in Parks zu überleben versuchen.
Aber selbst wenn ein Teil es bis an die Grenzen des Westjordanlandes schaffen sollte: Israel kontrolliert alle Zugänge zum größeren der beiden palästinensischen Gebiete und hat sich immer gegen die Rückkehr der in den Nahostkriegen aus ihrer Heimat Vertriebenen gewehrt.
"Selbst wenn wir die Grenzen öffnen, würde doch keiner kommen"
Dass UN-Generalsekretär Ban Abbas mit seinem Appell an alle Nachbarländer Syriens "einschließlich Israels" unterstützt, wird den palästinensischen Flüchtlingen nichts nützen: "Ich weiß nicht, welche Bedeutung der Aufruf von Ban Ki Moon für uns haben sollte", sagte ein israelischer Sprecher: "Selbst wenn wir die Grenzen öffneten, würde doch keiner zu uns kommen."
So rückt mit dem Kampf um Damaskus das Schicksal der gut 490.000 Palästinenser ins Zentrum des syrischen Bürgerkriegs. Bisher hatten sich die in zwölf verschiedenen Lagern lebenden Palästinenser - es sind die Flüchtlinge der israelisch-arabischen Kriege seit 1948 oder deren Nachkommen - weitgehend neutral verhalten und Machthaber Baschar al-Assad nicht gereizt.
Syrien bezeichnet sich seit Jahrzehnten als Frontstaat im Konflikt mit Israel, hat sich selbst zum Schutzherrn palästinensischer Interessen erklärt. Der Aufstand gegen das Assad-Regime hat dieses Bündnis zum Einsturz gebracht. Die palästinensische Hamas, die den Gazastreifen regiert, ihr Politbüro in Damaskus hatte und sich der Unterstützung Assads mit Geld und Waffen sicher sein konnte, hat sich aus Syrien längst zurückgezogen.
Die sunnitische Islamistengruppe konnte den Spagat nicht länger ertragen, auf der Seite eines schiitischen Regimes gegen die aufständischen Sunniten in Syrien zu stehen, und hat ihre Büros deshalb nach Ägypten und Katar verlegt.
Mit dem Kampf um das im Süden von Damaskus gelegene Lager Jarmuk mit mehr als 150.000 Bewohnern bricht die propalästinensische Fassade des Assad-Regimes zusammen. Ein Teil der Menschen in Jarmuk sind zu den Aufständischen übergelaufen, bis zu 100.000 Menschen sollen auf der Flucht sein. Aktivisten sprechen von einer "gewaltigen Krise für die Menschen im Camp". Es gebe keine Krankenhäuser, keine Feuerwehr und keine sicheren Straßen mehr.
Assads Armee steht bisher noch an den Ausgängen des Lagers, beschießt und bombardiert es aus der Luft, um die eingesickerten Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) zu vertreiben. Hunderte oder gar Tausende FSA-Kämpfer sollen im Lager sein und sich mit Splittergruppen gegen die Assad-Palästinenser vom PFLP-Generalkommando verbündet haben.
Die Palästinenser sind die idealen Verbündeten der Aufständischen
In Jarmuk selbst kämpft offenbar nur noch das mit dem Assad-Regime verbündete Generalkommando zur Befreiung Palästinas des alten Kämpen Mahmud Dschibril auf der Seite des Regimes; es ist eine palästinensische Splittergruppe, die Rückhalt nur in Syrien und in Libanon hat. "Nicht alle Kämpfer im Lager gehören zur PFLP", sagte ein Aktivist der libanesischen Internetseite Naharnet. "Es gibt zahlreiche Verteidigungskomitees im Lager, einige von ihnen sind zur FSA übergelaufen."
Der syrische Bürgerkrieg wird damit auch zwischen den Palästinensern ausgetragen. Obwohl die Flüchtlinge in Syrien jahrzehntelang relativ gute Lebensbedingungen vorfanden, sind sie nun die idealen Verbündeten der Aufständischen. Die meisten Palästinenser sind Sunniten, islamistische Ideen sind verbreitet, seit Beginn des Bürgerkriegs sind sie auf sich selbst gestellt, und Jarmuk ist ein Einfallstor nach Damaskus.
Der palästinensische Aktivist beschrieb die Lage so: "Die FSA ist zahlenmäßig stark und befindet sich in strategisch vorteilhafter Lage. Sie ist in den Süden von Damaskus vorgestoßen und kann ungehindert Verstärkung heranbringen." Jarmuk ist weniger ein Lager als ein Stadtteil. Die angrenzenden Viertel sind nach wie vor umkämpft, verdrängen konnte Assads Armee die FSA weder aus den innerstädtischen Sunnitenvierteln noch aus den sunnitisch besiedelten Vorstädten.