Süddeutsche Zeitung

Parlamentswahl:Palästinenser-Wahl verschoben

Präsident Abbas nennt einen Streit mit Israel als Grund. Dahinter könnte jedoch auch die Angst vor einem Machtverlust stehen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat eine Verschiebung der für den 22. Mai geplanten palästinensischen Parlamentswahlen angeordnet. Bei einem Treffen der palästinensischen Führungsspitze in Ramallah am Donnerstagabend gab er als Grund einen Streit mit Israel über die Möglichkeit an, die Wahlen auch für die in Ostjerusalem lebenden Palästinenser abzuhalten. Sobald Israel einer Wahlmöglichkeit dort zustimme, könnten die Wahlen "innerhalb einer Woche" stattfinden, sagt er.

Von vielen Beobachtern wird diese Begründung jedoch als Ausflucht angesehen. Hauptmotiv könnten demnach die zunehmend schlechten Wahlaussichten der Fatah-Partei von Abbas sein. Die rivalisierende Hamas protestierte scharf gegen eine Verschiebung der Wahl.

Seit 15 Jahren hat es in den Palästinensergebieten keine Parlamentswahl mehr gegeben. Auch der heute 85-jährige Abbas war 2005 nur für eine Amtszeit von vier Jahren zum Präsidenten gewählt worden und regierte nach Ablauf dieser Zeit ohne Mandat weiter. Die per Dekret am 15. Januar versprochenen Wahlen - neben der Abstimmung über das Parlament noch eine Präsidentenwahl am 31. Juli - hatte deshalb große Erwartungen in der Bevölkerung ausgelöst.

Die Enttäuschung in der Bevölkerung dürfte groß sein

Verbunden waren die Wahlen mit der Hoffnung auf eine Versöhnung der zerstrittenen Fatah, die im Westjordanland regiert, mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Überdies hätte eine Einigung und demokratische Legitimierung den Weg ebenen können für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Israel.

Insgesamt 36 Listen hatten sich zur Wahl aufgestellt. 93 Prozent der Wahlberechtigten hatten sich bereits als Wähler registrieren lassen. Mehr als die Hälfte davon waren Erstwähler. Nun dürfte die Enttäuschung groß sein in der palästinensischen Bevölkerung.

Abbas warf Israel nun vor, nicht auf die Forderungen seiner Autonomiebehörde reagiert zu haben, Wahlmöglichkeiten in Jerusalem zu schaffen. Dies sei ein Bruch der Osloer Verträge aus den Neunzigerjahren, in denen fünf einzeln aufgeführte Postämter als Wahlstationen genannt werden. Dort hätte jedoch ohnehin nur eine symbolische Anzahl von rund 6000 Palästinensern wählen sollen. Für die übrigen 150 000 Ostjerusalemer Wähler waren ohnehin Abstimmungsmöglichketen im Westjordanland vorgesehen.

Es wurde noch kein neuer Termin genannt

Die nun von Abbas gezogene Notbremse erscheint daher zumindest auch mit der akuten Schwäche seiner Fatah und der Angst vor einem Machtverlust zusammenzuhängen. Die Fatah hat sich zur Wahl in insgesamt drei Listen aufgespalten, die sich gegenseitig Konkurrenz machen. Die Hamas dagegen plante mit einer einheitlichen Liste unter dem Namen "Jerusalem ist unser Schicksal" anzutreten.

Befürchtet wird, dass die Verschiebung der Wahl - zumal ohne Nennung eines neuen Termins - nun eine neue Phase der Unsicherheit einleitet. Die palästinensischen Sicherheitskräfte bereiten sich Berichten zufolge bereits auf Demonstrationen und Unruhen vor. Auch in Israel werden neue Konflikte vor allem an der Grenze zum Gazastreifen befürchtet. Die Hamas hat angekündigt, man werde Israel wegen der Wahlverschiebung zur Verantwortung ziehen.

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