Nahost-Konflikt:Umstrittenes Signal der Solidarität

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Pro-palästinensische Demonstration in Barcelona Mitte Januar. (Foto: Emilio Morenatti/AP)

Norwegen, Spanien und Irland erkennen Palästina als Staat an. Dies solle eine Zweistaatenlösung beschleunigen. Die Bundesregierung lehnt diesen Schritt derzeit ab. Israel droht den drei Ländern mit Konsequenzen.

Von Patrick Illinger, Madrid

Drei Länder Europas haben am Mittwochmorgen angekündigt, Palästina als unabhängigen Staat anzuerkennen. Als Termin für die offizielle Anerkennung nannten die Regierungschefs von Spanien, Norwegen und Irland den 28. Mai. Diesen Schritt und den Zeitpunkt hatten die drei Staaten zuvor abgesprochen.

Als erster hatte Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre am Mittwochmorgen in Oslo bekannt gegeben, dass sein Land Palästina als Staat anerkennen werde. "Mitten in einem Krieg mit Zehntausenden Toten und Verletzten müssen wir die einzige Alternative am Leben erhalten, die eine politische Lösung für Israelis und Palästinenser gleichermaßen bietet: zwei Staaten, die Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben", sagte der Sozialdemokrat.

Wenig später trat Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez vor dem Kongress in Madrid auf, um dieselbe Entscheidung seiner Regierung zu verkünden. Sánchez verband dies mit harscher Kritik an Israels Staatschef Benjamin Netanjahu, welcher mit der "Zerstörung Gazas" voranschreite und "kein Friedensprojekt für Palästina" habe. Mehrmals verglich Sánchez die Krise der Ukraine mit der Situation der Palästinenser. In beiden Fällen gelte es, humanitäre Hilfe zu leisten und alle politischen Mittel auszuschöpfen, um den Konflikt zu lösen, sagte der sozialistische Premier. Sánchez regiert mit dem linken Koalitionspartner Sumar, der einen kompletten Abbruch der Beziehungen zu Israel fordert.

Eine Zweistaatenlösung sei die "einzig gerechte und nachhaltige Lösung, um diesen schrecklichen Konflikt zu lösen", sagte Sánchez. Das sei auch die Haltung der Mehrheit der spanischen Bevölkerung. Im Übrigen hoffe man, dass sich auch weitere Staaten zu diesem Schritt entschließen würden. "Je mehr wir sind, umso mehr Kraft werden wir haben, einen Waffenstillstand in Gaza zu erzwingen, die Geiseln zu befreien und Verhandlungen zu eröffnen."

Sánchez betonte auch, dass sich die Entscheidung nicht gegen jemanden richte, nicht gegen die israelische Bevölkerung und schon gar nicht gegen die Juden, "ein bewundernswertes Volk", dessen Identität mit der Geschichte Spaniens verbunden sei.

Nahezu gleichzeitig erklärte Irlands Regierungschef Simon Harris in Dublin, die Anerkennung Palästinas sei "Ausdruck einer uneingeschränkten Unterstützung für eine Zweistaatenlösung, des einzig glaubwürdigen Wegs zu Frieden und Sicherheit für Israel, Palästina und deren Völker".

Während die Anerkennung nach Sánchez Ansicht den Weg zu einer Zweistaatenlösung ebnen soll, lehnt die deutsche Regierung sie mit Verweis auf ebendiese ab. Die Anerkennung eines eigenständigen palästinensischen Staates müsse am Ende von Verhandlungen zwischen Israel und Palästinensern stehen, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Dem sei man im Augenblick allerdings fern.

Frankreich will Palästina derzeit ebenfalls nicht als Staat anerkennen. Dies sei zwar kein Tabu, sagte Außenminister Stéphane Séjourné am Mittwoch nach einem Treffen mit seinem israelischen Kollegen Israel Katz in Paris. Die Entscheidung müsse allerdings einen entscheidenden Fortschritt auf politischer Ebene ermöglichen.

Mehr als 143 UN-Mitgliedsstaaten haben Palästina bereits anerkannt

Heftige Kritik und Reaktionen auf den Vorstoß der drei europäische Staaten kamen aus Israel. Das Land rief umgehend seine Botschafter aus Norwegen und Irland sowie kurz darauf auch aus Spanien zu Konsultationen nach Israel zurück. Außenminister Israel Katz schrieb im Kurzmitteilungsdienst X: "Ich sende damit eine klare und unmissverständliche Botschaft: Israel wird denjenigen, die seine Souveränität untergraben und seine Sicherheit gefährden, nicht tatenlos zusehen." Die Entscheidung der drei Länder sende nach Ansicht der israelischen Regierung eine Botschaft an die Palästinenser und die Welt: "Terrorismus zahlt sich aus."

Der Schritt sei "eine Stärkung der Dschihadisten, der Hamas und Irans, die die Chance auf Frieden untergräbt und Israels Recht auf Selbstverteidigung infrage stellt", schrieb Katz. "Israel wird nicht schweigen", kündigte der Außenminister an, es werde weitere schwerwiegende Konsequenzen für die drei Länder geben. Und weiter: "Wir sind entschlossen, unsere Ziele zu erreichen: die Sicherheit unserer Bürger wiederherzustellen, die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln nach Hause zu bringen."

Diplomatie bestehe nicht darin, niemanden zu stören, "sondern die eigenen Interessen und Werte auf friedliche Weise zu verteidigen", sagte Sánchez am Morgen im Hinblick auf mögliche Konsequenzen der Anerkennung Palästinas.

Sowohl die von Ramallah aus im Westjordanland regierende Palästinensische Autonomiebehörde als auch die rivalisierende Islamisten-Organisation Hamas, die im Gazastreifen an der Macht ist und den Terrorfeldzug vom 7. Oktober vergangenen Jahres zu verantworten hat, begrüßten die angekündigte Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Spanien, Irland und Norwegen.

Schweden hatte diesen Schritt bereits vor zehn Jahren vollzogen, ebenso wie insgesamt 143 der 193 UN-Mitgliedsstaaten. In Bezug auf die Palästinensergebiete ergeben sich allerdings auch formale Schwierigkeiten bei der Anerkennung als Staat. Die Grenze zwischen Israel und den Palästinensergebieten ist unklar bis strittig. Das gilt auch für den politischen Status von Jerusalem, das beide Konfliktparteien als Hauptstadt reklamieren.

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Kommentar von Peter Münch

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