Pakistanischer Ex-Präsident Musharraf:Flüchtiger im eigenen Land

Pakistans ehemaliger Präsident Musharraf salutiert

Pakistans ehemaliger Präsident Musharraf: Jetzt schlägt ihm die Angriffslust der Justiz entgegen

(Foto: REUTERS)

Nach Jahren im Exil ist Pervez Musharraf nach Pakistan zurückgekehrt, um sein Land "zu retten". Doch statt Begeisterung schlägt dem früheren Militärmachthaber die geballte Angriffslust der Justiz entgegen, die ihn wegen Verfassungsverstößen in seinem Haus festsetzt.

Von Tobias Matern

Am Ende ist ihm nur noch die Flucht geblieben. Umringt von seinen Personenschützern stürzte Pervez Musharraf aus dem Gerichtssaal. Die Anordnung eines Gerichts in Islamabad, die Kaution gegen Pakistans ehemaligen Machthaber zu widerrufen und ihn festzunehmen, setzte die Polizei nicht um. Bevor die Sicherheitskräfte Musharraf in Gewahrsam hätten nehmen können, bugsierten ihn seine Leibwächter zum Wagen, der sofort davonraste.

Musharraf ist nun ein Flüchtiger im eigenen Land, er steht unter einer Art Hausarrest. Nach Angaben pakistanischer Medien hielt er sich nach der Flucht aus dem Gerichtssaal in seinem Landhaus außerhalb der pakistanischen Hauptstadt auf. Die Polizei beobachtet das gut bewachte Anwesen, zugreifen mochte sie indes zunächst nicht. Anhänger demonstrierten vor dem Haus, sie riefen: "Lang lebe Musharraf!"

Gegen den zum Politiker gewandelten früheren Armeechef laufen zahlreiche Verfahren aus der Zeit, als er das Land regierte. Unter anderem geht es um den von Musharraf verhängten Ausnahmezustand im Jahr 2007 und die von ihm angeordnete Absetzung widerspenstiger Richter. Iftikhar Chaudhry, der Oberste Richter des Landes, lehnte sich seinerzeit gegen Musharraf auf, brachte dessen Sturz ins Rollen und steht dem Ex-General auch heute noch in inniger Abneigung gegenüber. Die Justiz wirft Musharraf vor, gegen die Verfassung verstoßen zu haben. Auch steht der Vorwurf im Raum, er habe die im Wahlkampf ermordete Ex-Premierministerin Benazir Bhutto nicht ausreichend schützen lassen.

Chancen auf Kandidatur bei Parlamentswahl schwinden

Durch die Kampfansage der Justiz schwinden Musharrafs Chancen, wie von ihm geplant bei der Parlamentswahl am 11. Mai anzutreten. Der frühere Präsidentengeneral war vor einigen Wochen nach vier Jahren im Exil in sein Heimatland zurückgekehrt, um Pakistan "zu retten", wie er es selbst genannt hatte. Jedoch hatten es ihm Gerichte untersagt, bei den Wahlen anzutreten - wegen der laufenden Verfahren.

Die Justiz unterstreicht mit dem Vorgehen gegen Musharraf, dass sie bereit ist, auch gegen die mächtige Armee vorzugehen. Zwar ist Musharraf wegen seiner gesunkenen Popularität im Militär offensichtlich nicht mehr wohl gelitten. Es wäre früher in Pakistan aber undenkbar gewesen, dass das Militär die Richter in ihrem Kampf gegen einen früheren Armeechef einfach hätte gewähren lassen.

Scharia beliebter als Demokratie

Als Armeechef Musharraf sich 1999 unblutig an die Macht putschte, waren die Pakistaner noch angetan von ihrem neuen Staatschef. Schließlich beendete der General eine Dekade voller politischer Unzulänglichkeiten, in der sich Benazir Bhutto von der Volkspartei (PPP) und Nawaz Sharif von der Muslimliga (PML-N) als Regierungschef abgewechselt hatten, dabei aber jeweils ihre Unfähigkeit unter Beweis stellten.

Sharif gilt bei der nun anstehenden Wahl als einer der Favoriten für das Amt des Regierungschefs. Der Witwer der ermordeten Benazir Bhutto, Asif Ali Zardari, hat in den vergangenen fünf Jahren als Präsident Pakistans nie den Vorwurf entkräften können, korrupt zu sein - sein Spitzname lautet nach wie vor "Mister zehn Prozent" - in Anlehnung an die Summe, die er sich früher bei Staatsgeschäften in die eigene Tasche abgezweigt haben soll.

Die Pakistaner sind nach fünf Jahren PPP-geführter Regierung zermürbt von einer Energie- und Wirtschaftskrise, die weite Teile des Landes lähmt. Dennoch hat sie Historisches vollbracht: Erstmals in der Geschichte der 1947 gegründeten muslimischen Nation beendet eine zivile Regierung eine volle Amtszeit - ohne einen Militärputsch oder den politischen Kollaps.

Junge Pakistaner halten wenig von demokratischer Regierung

Beobachter rühmen, dass Zardari trotz aller Unzulänglichkeiten einen demokratischen Prozess am Laufen gehalten habe, den das von Islamisten herausgeforderte Land dringend benötigt. Allerdings zeigt eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des British Council unter 5000 Pakistanern im Alter von 18 bis 29 Jahren, dass die junge Bevölkerung angesichts korrupter politischer Eliten mit einer demokratischen Regierung nicht viel anfangen kann.

70 Prozent befürworten eine stärkere Rolle des Militärs, nur 13 Prozent stehen auf der Seite der Regierung. Die jungen Leute ziehen nach der Umfrage sowohl die Scharia als auch eine Militärherrschaft der Demokratie vor. Pervez Musharraf, das ist allerdings klar, wünscht sich in Pakistan fast niemand mehr an der Macht.

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