Gestoppte Finanzhilfen:Wie China den Streit zwischen USA und Pakistan nutzt

Gestoppte Finanzhilfen: An der pakistanischen Armee wird der Staat nicht so schnell sparen. Sie gilt als eine der mächtigsten Institutionen im Land und vielen Pakistanern als Bollwerk gegen den Erzfeind Indien.

An der pakistanischen Armee wird der Staat nicht so schnell sparen. Sie gilt als eine der mächtigsten Institutionen im Land und vielen Pakistanern als Bollwerk gegen den Erzfeind Indien.

(Foto: Anjum Naveed/AP)
  • Die USA haben die Militärhilfen für Pakistan vorübergehend gestoppt.
  • US-Präsident Trump fordert von Islamabad mehr Engagement im Kampf gegen die Taliban.
  • Der Streit könnte Pakistans Regierung innenpolitisch stabilisieren - und auch China nützen.

Von Arne Perras, Singapur

Politische Stürme schütteln Pakistan, seitdem dieser Staat aus dem früheren britischen Kolonialreich hervorgegangen ist. Das gilt auch für die komplizierten und oftmals widersprüchlichen Beziehungen zum Verbündeten USA. Allerdings waren die Turbulenzen selten so heftig wie in den ersten Januartagen.

Das Klima zwischen den beiden Staaten ist zuletzt wieder rauer geworden, was einerseits an Trump und dessen Twitter-Meldungen liegt, andererseits aber auch an den Verwerfungen im unbefriedeten Afghanistan, wo die aufständischen Taliban an Kraft gewinnen. Washington gibt Islamabad daran schon lange eine Mitschuld. Und der US-Präsident hat diesen Vorwurf nun öffentlich Richtung Islamabad abgefeuert. Selten dürfte Pakistan einen Neujahrsgruß erhalten haben, der so brachial und überheblich klang wie der von Trump am 1. Januar 2018.

Washington kann nicht auf Pakistan verzichten, wenn Afghanistan Frieden finden soll

Die USA hätten im Laufe der vergangenen 15 Jahre dummerweise mehr als 33 Milliarden Dollar Hilfe an Pakistan bezahlt und dafür "nichts als Lügen und Täuschung" geerntet, polterte Trump. Doch damit sei nun Schluss. In Pakistan weiß man inzwischen, dass sich hinter den Worten doch weit mehr verbarg als impulsiver Zorn. Denn der Tirade des Präsidenten folgte am Donnerstag eine kühle Erklärung des Außenministeriums in Washington, wonach die US-Militärhilfen für das südasiatische Land ausgesetzt würden. Die Unterstützung falle solange weg, bis der Staat Maßnahmen gegen die Taliban und das mit ihnen verbündete Haqqani-Netzwerk ergreife, die sich auf pakistanischem Boden eingerichtet haben. Beziffert wurde der Betrag zunächst nicht, doch geht es dabei um dreistellige Millionenbeträge. Völlig unvorbereitet traf die harte US-Gangart Pakistan allerdings nicht, schon im August hatte Washington angekündigt, sie wollten 255 Millionen Dollar Hilfe streichen.

In Islamabad stellte sich nun ein altbekannter Reflex ein: Selten einig waren sich die politischen Akteure in ihrer Empörung über den als Erpressungsversuch eingestuften Vorstoß aus Washington. Das Verhältnis zu den USA beherrscht nun wieder viele Debatten. Strategen der Trump-Regierung dürften sich dabei weniger für das Lamento der Regierung interessiert haben als für die öffentliche Reaktion des Militärs. Dessen Sprachrohr agierte weitaus diplomatischer und stufte Trumps rhetorische Attacken als "Missverständnis zwischen Pakistan und den Vereinigten Staaten" ein. Generalmajor Asif Ghafoor ergänzte allerdings auch gleich, dass eben dieser Zustand die Sicherheitssituation in der Region doch negativ beeinflussen werde, vor allem in Afghanistan. Das war der Versuch zu signalisieren: Pakistan wird noch gebraucht, auch und gerade von den USA, wenn Afghanistan Frieden finden soll.

Das amerikanische Militär kann auf Pakistan als Partner schon aus logistischen Gründen schwer verzichten. Denn dort verlaufen die meisten Nachschubwege für Afghanistan. Die nüchterne und gelassene Art, mit der das pakistanische Militär die Rhetorik Trumps konterte, macht deutlich, dass das Selbstbewusstsein der Armee durch das Streichen von Finanzmitteln nicht so leicht zu erschüttern ist. Zwar ist der Staat schon seit Jahren in finanziellen Nöten, der Regierung gelingt es kaum, die Steuerbasis in einem Land zu verbreitern, in dem superreiche neo-feudalistische Zirkel daran gewöhnt sind, höchstens ein paar Almosen an den Fiskus abzuführen. Die Wirtschaft lahmt, und die schlechte Sicherheitslage in der Region bremst einen Aufschwung aus. Doch an der Armee wird der Staat nicht so schnell sparen, weil sie zum einen die mächtigste Institution ist und zum anderen vielen Pakistanern als Bollwerk gegen den Erzfeind Indien gilt.

Medien sehen in der Verstimmung eine Chance

Nun ist es auch nicht so, als wäre Pakistan ohne den Beistand der USA völlig isoliert. Die chinesische Global Times vermeldete hinsichtlich der Verstimmung zwischen Washington und Islamabad beinahe freudig, dass die ohnehin schon enge Freundschaft zwischen China und Pakistan nach der "Tweet-Attacke" von Trump noch etwas enger werde. Dazu könnte auch eine engere militärische Kooperation gehören, heißt es in der Zeitung, die der kommunistischen Partei als Sprachrohr dient. Selbst die Möglichkeit, eine gemeinsame Marinebasis am Golf von Oman zu errichten, findet in dem Stück Erwähnung.

Ein Editorial in der pakistanischen Zeitung Dawn glaubt im Stopp der amerikanischen Militärhilfe sogar eine Chance zu erkennen. Das wäre endlich ein Anstoß, um das ungerechte pakistanische Steuersystem zu reformieren und mehr eigenes Geld in die Kassen des Staates zu bekommen. Außerdem würde es extremistischen Gruppen künftig deutlich schwerer fallen, den pakistanischen Staat als Vasall Amerikas anzuprangern, wenn die USA jetzt den Geldhahn zudrehen.

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