Pakistan:Wasser auf die Mühlen der Taliban

Das Hochwasser in Pakistan forderte bisher mehr als 1400 Todesopfer. Die Regierung in Islamabad wirkt hilflos, die radikalen Islamisten hingegen geben sich als engagierte Helfer - und profitieren so von der Katastrophe.

Janek Schmidt

Die Wucht der Wassermassen ist enorm, und die Zahl der Betroffenen wächst mit jeder Stunde. Bis zu drei Millionen Menschen sind inzwischen nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef von den Überschwemmungen in Nordpakistan bedroht. Doch während einige Helfer bereits warnen, dass die Zahl der gestorbenen Pakistaner von derzeit 1500 auf 3000 steigen könnte, wächst auch eine andere Sorge: Die Umweltkatastrophe in dem Gebiet, das zwischen pakistanischen Militäreinheiten und Taliban-Rebellen umkämpft ist, könnte radikalen Islamisten in die Hände spielen.

Pakistan: In der Gegend von Nowshera trägt ein Überlebender der Flutkatstrophe eine Matte. Vielde der 3,2 Millionen Betroffenen fühlen sich von der Regierung allein gelassen:

In der Gegend von Nowshera trägt ein Überlebender der Flutkatstrophe eine Matte. Vielde der 3,2 Millionen Betroffenen fühlen sich von der Regierung allein gelassen:

(Foto: AFP)

Aus humanitären Anstrengungen wird ein Anti-Terror-Einsatz

Am stärksten betroffen von den Unwettern ist die Provinz Khyber Pakhtunkhwa, die kleinste der vier pakistanischen Provinzen, die bis April noch Nordwestliche Provinz hieß und an Afghanistan grenzt. Insbesondere im Distrikt Swat sind die Einwohner den Fluten ungeschützt ausgeliefert, da dort nach einer Großoffensive der pakistanischen Armee von April bis Mai 2009 noch viele Häuser und Brücken zerstört sind und Rettungskräfte nun schwer Zugang haben. Seit dem Ende der Offensive, mit der das Militär die Taliban weitgehend aus dem Distrikt vertrieben hatte, bemühen sich die Soldaten um die Gunst der mehrheitlich paschtunischen Einwohner, von denen viele mit den Islamisten sympathisieren. Somit sind die humanitären Anstrengungen nach den Unwettern zu einem Teil des Anti-Terror-Einsatzes geworden, umso brisanter sind daher nun die logistischen Probleme der pakistanischen Behörden.

"Die Regierung scheint leider ziemlich hilflos zu sein", klagt der pensionierte pakistanische General Talat Masood in der Washington Post. Obwohl 30000 Soldaten zum Rettungseinsatz entsandt wurden, schimpfen viele Menschen in den Überschwemmungsgebieten, dass sie noch immer keine Hilfe erreicht habe. Auch Präsident Asif Ali Zardari ist in die Kritik geraten. Er besucht derzeit Großbritannien und versucht, einen Streit mit der britischen Regierung über die mutmaßliche pakistanische Unterstützung für die Taliban auszuräumen. Indes fragen viele Pakistaner, wo die Unterstützung ihres Präsidenten für die Flutopfer bleibt. Auch General Masood warnt, dass die Flut ein Machtvakuum in den umkämpften Gebieten schaffen könnte. Er sagt: "Ich bin sehr besorgt, dass nun militante Organisationen einspringen werden."

Taliban bauen Notkliniken auf

Genau das ist bereits geschehen.

Nicht nur teilten die Taliban mit, dass sie ihre Angriffe im Notstandsgebiet aussetzen würden. Auch die islamistische Falah-i-Insaniat Stiftung verkündete, sie habe 13 Feldlager und sechs medizinische Not-Einrichtungen im Unwettergebiet aufgebaut. Ein Dutzend Krankenwagen unterstützten zudem die Helfer. Pakistanische Regierungsvertreter reagierten beunruhigt auf den Einsatz der Stiftung. Sie soll Verbindungen zur Wohlfahrtsorganisation Jamaat-ud-Dawa haben, die der UN-Sicherheitsrat 2008 als Terror-Organisation einstufte, weil sie der Gruppe Lashkar-e-Taiba bei den schweren Anschlägen von Mumbai im November 2008 geholfen haben soll. Wie viel Sympathie die Islamisten mit ihren Rettungseinsätzen gewinnen können, zeigten sie bereits nach dem Erdbeben 2005 in Kaschmir, als sie besonders schnelle Nothilfe leisteten.

Aus dieser Erfahrung lernten auch die USA und verkündeten am Sonntag, dass sie zehn Millionen Dollar Nothilfe in das Überschwemmungsgebiet schicken würden. Schon nach dem Kaschmir-Erdbeben hatte Washington sein Ansehen in der Region mit einem effektiven Hilfseinsatz aufbessern können. Doch war die Sympathie von kurzer Dauer: Als das Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center Ende Juli seine neueste Umfrage aus Pakistan präsentierte, war der Anteil der Pakistaner, die eine positive Meinung von den USA haben wieder gefallen - auf einen Wert von 17 Prozent.

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