Pakistan:Höchststrafe für den Präsidentengeneral

Pervez Musharraf

Musharraf hat einen tiefen Fall erlebt, dabei war er in Pakistan nicht immer unbeliebt.

(Foto: B.K. Bangash/AP)
  • Für einen Präsidentengeneral war Musharraf in den ersten Jahren seiner Regentschaft regelrecht liberal.
  • Später setzte er aber die Verfassung zu seinen Gunsten in Teilen außer Kraft und schadete der Demokratie im Land.
  • Nun hat ihn ein Gericht zum Tode verurteilt. Vollstreckt wird das Urteil aber wohl nicht. Musharraf befindet sich im Exil in Dubai.

Von Tobias Matern

In seinen Memoiren beschreibt sich Pervez Musharraf etwas prahlerisch als dada geer - ein pakistanischer Begriff, der sich grob als Haudegen übersetzen lässt. Nach der von ihm selbst befeuerten Legende wusste er sich schon als Kind zu behaupten - im Notfall mit den Fäusten, vor allem aber mit seinem Grips.

Musharraf machte Karriere beim Militär, er war es lange gewohnt, von Jasagern umgeben zu sein, die seine Eitelkeit befriedigten. Schließlich hatte der Militärchef in einem unblutigen Putsch im Jahr 1999 die Regierung von Premier Nawaz Sharif gestürzt. Da die Machtfülle der Armee in dem muslimischen Land grenzenlos ist und sich auch von zivilen Politikern nicht eindämmen lässt, war der Präsidentengeneral Musharraf einst ein Mann, für den galt: Mein Wort ist Gesetz.

Nun hat das Gesetz Musharraf, der 2008 abtreten musste, viele Jahre später eingeholt. In einem für Pakistan bahnbrechenden Urteil verurteilte ein Gericht in Islamabad den ehemaligen Präsidentengeneral am Dienstag in Abwesenheit zum Tode. Die Geschichte Pakistans ist geprägt vom Militär, dessen Vertreter das Land offen oder aus dem Hintergrund heraus lenken. Einen so eindeutigen Richterspruch gegen einen Mann aus der in Pakistan alles dominierenden Institution gab es noch nie.

Pakistans Armee pflegt ihr Image als Hüterin der Nation und lässt zivile Regierungen höchstens gewähren. Sie tut dies nicht aus Treue zur Demokratie, sondern weil sie seit den Musharraf-Jahren weiß: Das Regieren eines Entwicklungslandes ist ein zähes Geschäft, die Gefahr ist groß, sich unbeliebt zu machen.

Mit dem Urteil schließt sich in gewisser Weise ein Kreis. Es waren Anwälte und Richter, die 2007 gegen den zunehmend selbstherrlichen Machthaber auf die Straße gingen. Um sich zu retten, verhängte Musharraf den Ausnahmezustand und setzte den obersten Verfassungsrichter ab. Aus Sicht der Justiz beging er so Hochverrat, worauf in Pakistan als Höchststrafe der Tod steht.

Der 76-jährige Musharraf, der im Exil in Dubai lebt und sich wegen einer Stoffwechselkrankheit in einer Klinik behandeln lässt, kann gegen das Urteil in Berufung gehen, vermutlich entzieht er sich ihm dadurch, dass er im Exil bleibt. Seine Verteidigungsstrategie war, seine Verdienste für Pakistan zu unterstreichen, wie in einer an das Gericht adressierten Videobotschaft: Er habe immer für sein Land "gekämpft", das Verfahren sei politisch motiviert.

Ganz unrecht hat Musharraf nicht, auch wenn er die Verfassung tatsächlich zu seinen Gunsten außer Kraft gesetzt hat. Aber es liegt in Pakistan immer an den Kräfteverhältnissen in Islamabad, gegen wen aus der politischen Klasse ermittelt wird, wem es juristisch an den Kragen geht. Nur das Establishment - der im Land euphemistisch verwendete Begriff für das Militär - war bisher in der Regel über alle Zweifel erhaben. Doch auf Betreiben Sharifs, den Musharraf einst aus dem Amt putschte, begann 2014 der Prozess gegen den Ex-Präsidentengeneral. Die Armee ließ das Gericht gewähren. Nach Musharrafs Logik muss diese Illoyalität ähnlich schwer wiegen wie der Richterspruch.

Musharraf war Meister des Doppelspiels zwischen USA und den Taliban

Musharraf hat einen tiefen Fall erlebt, dabei war er in Pakistan früher populär. Als er 1999 den inzwischen wegen der Panama Papers und den darin aufgedeckten finanziellen Machenschaften selbst in die Bredouille geratenen Sharif stürzte, jubelte das Volk. Die Menschen hatten zuvor erlebt, wie sich zwei unfähige zivile Regierungen abwechselten: Entweder Sharif oder Benazir Bhutto kümmerten sich als Regierungschefs lieber um das Wohl des eigenen Clans, nicht um das des Landes.

Auch war Musharraf in den ersten Jahren seiner Regentschaft für einen Präsidentengeneral regelrecht liberal. Er lockerte das Presserecht, gewährte Kulturschaffenden Freiraum. Den wachsenden Einfluss der Islamisten dämmte er hingegen nicht ein. Pakistan war unter Musharraf eines von nur drei Ländern der Welt, das diplomatische Beziehungen zum Taliban-Regime im Nachbarland Afghanistan unterhielt. Die Extremisten wurden 2001 in Kabul gestürzt. Sie gruppierten sich neu, ihr Führungsgremium (Shura) heißt nach der pakistanischen Stadt, in der es seinen Hauptsitz hat: Quetta Shura.

Was Musharraf in die Hände spielte, war, dass die USA nach den Anschlägen vom 11. September in der Region einen Verbündeten brauchten, als sie in Afghanistan einmarschierten. Der Präsidentengeneral entwickelte sich zum Meister des Doppelspiels: Einerseits operierten Extremisten von Pakistan aus, andererseits strich sein Militär Milliardenhilfen aus den USA ein, um Washington im "Kampf gegen den Terrorismus" zur Seite zu stehen. Diese Paradoxie ist einer der Hauptgründe für das Scheitern des Westens in Afghanistan.

Als es für Musharraf 2007 unter Druck der Straßenproteste eng wurde, waren es die USA, die eine Machtteilung zwischen ihm und Bhutto vermitteln wollten. Doch Musharraf, der in seiner Amtszeit Attentatsversuche überlebt hatte, konnte sich nicht im Amt halten. 2008 war seine Zeit als Staatschef abgelaufen. Ein Versuch, über Wahlen zurück an die Macht zu kommen, misslang. Nun wird der selbsternannte Haudegen wohl gar nicht mehr in seine Heimat zurückkehren, um sich dem Richterspruch zu entziehen.

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