Pakistan: Osama bin Laden:"Alle Geheimdienste dieser Welt haben versagt"

In Pakistan ist kein Platz für Terrorismus - behauptet Regierungschef Gilani trotz der Tötung Bin Ladens auf seinem Staatsgebiet. Er weist Vorwürfe zurück, sein Staat habe Verbindungen zu al-Qaida. Dennoch will er untersuchen, wie der Terrorchef unbehelligt in Abbottabad leben konnte.

Der Ruf Pakistans als ernstzunehmender Partner im Kampf gegen den Terrorismus ist schwer beschädigt. Der mächtige Verbündete in Washington verlangt Antworten, wie sich Osama bin Laden unbehelligt im Norden des Landes aufhalten konnte. Der Druck setzt Pakistans Regierung unter Zugzwang, jetzt sah sich Regierungschef Yousuf Raza Gilani gezwungen, eine Verteidigungsrede zu halten. Anschuldigungen, sein Land habe Bin Laden unterstützt, seien "absurd", sagte er vor dem Parlament in der Hauptstadt Islamabad. Gleichzeitig will er eine Kommission einsetzen, die Bin Ladens Aufenthalt in Pakistan unter die Lupe nehmen soll. Ein ranghoher General soll sie leiten.

Gilanis Logik ist einfach: Bin Ladens Terrornetzwerk ist eine arabische Entwicklung, also hat Pakistan nichts damit zu tun. "Al-Qaida wurde nicht in Pakistan geboren", sagte er. Deshalb dürfe sein Land auch nicht für dessen Taten verantwortlich gemacht werden. Pakistan sei entschlossen, "den Terrorismus auszulöschen und ihm sein Staatsgebiet nicht zur Verfügung zu stellen", sagte Gilani.

Ein bisschen Selbstkritik fand sich dennoch in Gilanis Rede: Er räumte ein, dass Pakistans Geheimdienste versagt hätten. Sie hätten es nicht geschafft, den Aufenthaltsort Bin Ladens ausfindig zu machen, sagte er. "Aber das ist nicht nur unser eigenes Versagen, sondern das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt."

Indirekt kritisierte Gilani den Militäreinsatz der USA auf pakistanischem Staatsgebiet, in den die Regierung in Islamabad nicht eingeweiht war und dem sie hilflos zusehen musste. Durch ein einseitiges Vorgehen wie das der US-Soldaten drohten ernsthafte Konsequenzen, warnte der Ministerpräsident. Gilani fügte aber umgehend hinzu, wie wichtig seiner Regierung die Beziehungen zu den USA seien. Pakistan ist von milliardenschweren US-Finanzhilfen abhängig.

In Washington trafen Gilanis Vorwürfe auf kein Verständnis, die Replik folgte prompt: Die US-Regierung wies die pakistanische Kritik an der "unilateralen" Kommandoaktion zurück. Obama sei von dem "Recht" für den Einsatz in Abbottabad und deren "Notwendigkeit" überzeugt gewesen, sagte Sprecher Jay Carney in Washington. Die USA würden sich für die Aktion nicht entschuldigen.

Personelle Konsequenzen aus der Entdeckung und Tötung von Bin Laden will die pakistanische Regierung nicht ziehen. Innenminister Rehman Malik sagte der saudischen Zeitung Okaz: "Niemand wird zurücktreten, weder der Innenminister, noch der Ministerpräsident, nicht der Geheimdienstchef und auch nicht der Präsident."

Bin Laden war vor einer Woche von einem US-Spezialkommando in der nordpakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad getötet worden, wo er offenbar jahrelang unbehelligt lebte. Daraufhin wurden weltweit neue Zweifel am Kooperationswillen Pakistans im Kampf gegen den Terrorismus laut. Die US-Regierung vermutet, dass Bin Laden Unterstützer bei den pakistanischen Behörden hatte, und informierte die Regierung in Islamabad nicht vorab über den Spezialeinsatz. Bin Ladens Versteck war unweit einer Militäreinrichtung in Abbottabad entdeckt worden.

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