Auch im Gefängnis bleibt Imran Khan einer der mächtigsten Männer in Pakistan: In der vergangenen Woche kam es in Islamabad zu Straßenschlachten zwischen der Polizei und Khan-Anhängern, nachdem diese Sicherheitsbarrikaden durchbrochen hatten und versuchten, in das Regierungsviertel vorzudringen. Ihre Forderung: die Freilassung ihres Idols, des ehemaligen Premierministers, Hockey-Stars und Playboys Imran Khan. Fast 1000 von ihnen wurden festgenommen. Viele wurden verletzt.
Zuvor hatte der 72-jährige Khan in einem Beitrag auf X aus dem Gefängnis erklärt, „Meine Botschaft ist, bis zum Ende zu kämpfen, wir werden nicht aufgeben.“ Ali Amin Gandapur, ein enger Berater Khans und Ministerpräsident der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, erklärte anschließend, die Gewalt sei erst ausgebrochen, als die Polizei begann, mit Waffen gegen die Demonstranten vorzugehen. „Hunderte“ hätten Schusswunden erlitten, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Ali Rizvi, Polizeichef von Islamabad, bestreitet den Einsatz scharfer Munition, allerdings habe man bei den Demonstranten automatische Gewehre und Tränengaspistolen beschlagnahmt.
Khans Lager hat die Wahl gewonnen, durfte jedoch keine Regierung bilden
2022 wurde Imran Khan vom Parlament abgewählt, nachdem er sich mit dem mächtigen pakistanischen Militär überworfen hatte. Er wurde ins Gefängnis gesteckt und mit Anklagen überhäuft, die von Korruption bis hin zu Anstiftung zur Gewalt reichen. Auf diese Weise wurde Khan daran gehindert, an den Wahlen im Februar dieses Jahres teilzunehmen.
Auch seine Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) wurde mit einem Wahlverbot belegt. Ihre Kandidaten mussten einzeln als Unabhängige antreten – sie gewannen trotzdem die meisten Stimmen. Doch wenig später erklärten sich die Verlierer der Wahl zu Siegern. Shehbaz Sharif, der die Absetzung Khans betrieben hatte, wurde erneut Premierminister.
Der Protestmarsch in der vergangenen Woche, den Imran Khan als „letzten Aufruf“ bezeichnet hat, war einer von vielen, die seine Partei seit seiner Inhaftierung im August vorigen Jahres veranstaltete. Doch der Protest in dieser Woche war nach Aussagen der Behörden größer und gewalttätiger. Außerdem wurde er angeführt von einer Frau: Bushra Khan.
Über die Ehefrau von Imran Kahn ist wenig bekannt. Auf den Bildern aus der vergangenen Woche sieht man sie nur verschleiert. Sie soll Ende 40 sein und wurde als Bushra Riaz Watto geboren. Vor ihrer Ehe mit Imran Khan, die in einer geheimen Zeremonie stattfand, war sie bereits 30 Jahre lang mit einem anderen Mann verheiratet.
Im Oktober wurde sie nach neun Monaten aus dem Gefängnis entlassen, nachdem sie in einem Fall des illegalen Verkaufs von Staatsgeschenken verurteilt worden war. Eine weitere Verurteilung, weil sie nach ihrer vorherigen Ehe die vom Islam vorgeschriebene Wartezeit vor der Wiederheirat nicht eingehalten hatte, wurde in diesem Jahr aufgehoben.
Khans Gegner beschuldigen seine Frau, eine Hexe zu sein
Bushra Khan gilt als Anhängerin von Baba Farid, einem muslimischen Mystiker und Sufi-Heiligen des 13. Jahrhunderts. Viele Khan-Fans sehen sie als spirituelle Führerin, während Khans Gegner sie beschuldigen, eine Hexe zu sein. Obwohl sie keine offizielle Position in der PTI hat, zog sie am Dienstag mit Tausenden PTI-Demonstranten in die Hauptstadt Islamabad ein. Der von ihr angeführte Konvoi durchbrach die schweren Barrikaden der Sicherheitskräfte bis an den Rand der stark befestigten, von der Armee bewachten „Roten Zone“ der Hauptstadt. In ihr befinden sich das Parlament und die diplomatischen Einrichtungen.
In der Nähe des Parlaments hielt Bushra Khan beim D-Chowk, auch Platz der Demokratie genannt, ihre erste öffentliche Rede. „Ihr alle müsst versprechen, dass ihr D-Chowk so lange nicht verlasst, bis Khan unter uns weilt“, sagte sie.
Es ist in Südasien nicht unüblich, dass politische Positionen an Ehepartner weitergegeben oder an Kinder vererbt werden. Auch in Indien und Bangladesch herrschen Familienclans teilweise über Jahrzehnte hinweg. Benazir Bhutto, die erste Frau als Premierministerin Pakistans, war die Tochter von Präsident Zulfikar Ali Bhutto, der 1979 unter Militärherrschaft inhaftiert und hingerichtet wurde. Der Bhutto-Clan mischt bis heute mit in der Politik des Landes.
Der Premierminister betrachtet die Demonstranten als Extremisten
Ohne Bushra Khan namentlich zu nennen, erklärte Innenminister Mohsin Naqvi am Donnerstag, die Zerstörungen während der Proteste in dieser Woche seien von „einer Frau“ verursacht worden. Premierminister Shehbaz Sharif beschuldigte die Demonstranten, paramilitärische Truppen mit einem Fahrzeugkonvoi gerammt zu haben und für den Tod von Soldaten verantwortlich zu sein. „Das ist kein friedlicher Protest. Es handelt sich um Extremismus“, sagte Sharif in einer Erklärung. Die Gewalt treibe die Strafverfolgungsbehörden an die „Grenzen der Beherrschung“.
Tatsächlich steht der Atomstaat Pakistan, in dem 240 Millionen Menschen leben, mehrfach von innen unter Druck. Die Wirtschaft lahmt, und neben den Protesten der Khan-Anhänger kommt es derzeit jede Woche zu Terroranschlägen.
Die Regierung hat erst vor wenigen Tagen eine Waffenruhe zwischen rivalisierenden schiitischen und sunnitischen Gruppen in Khyber Pakhtunkhwa verhandelt. Die Polizei hat seit Jahren Mühe, die Gewalt in dem Gebiet unter Kontrolle zu bekommen, das an Afghanistan grenzt. Nächste Woche endet die Waffenruhe.