Pakistan:Krawalle verhindern Festnahme von Imran Khan

Pakistan: Unterstützer von Imran Khan werfen am Dienstag in Lahore Steine auf die Polizei, die feuert mit Tränengas und Wasserwerfern zurück.

Unterstützer von Imran Khan werfen am Dienstag in Lahore Steine auf die Polizei, die feuert mit Tränengas und Wasserwerfern zurück.

(Foto: K. M. Chaudary/AP)

In Pakistan scheitert die Polizei daran, Imran Khan zu inhaftieren. Der Ex-Premier, der wieder an die Macht will, sitzt in seinem Haus, draußen randalieren seine Anhänger. Der Konflikt könnte das Land weiter destabilisieren.

Von David Pfeifer, Bangkok

Mit jeder Stunde, die Imran Khan nicht verhaftet wird, wächst der Druck. Nicht nur auf die Polizei, sondern auch auf die aktuelle Regierung in Pakistan. Denn es ist nicht so, dass der ehemalige Premierminister sich verstecken würde vor den Beamten, die einen Haftbefehl durchsetzen sollen, während seine Anhänger sie daran hindern. Er sitzt in seiner Residenz in Lahore und gibt Statements ab: "Sie besprühen unsere Leute mit Tränengas und werden andere Dinge tun, aber ihr solltet wissen, dass sie dafür keinen Grund haben", sagte Khan in einer Videobotschaft aus dem Inneren seines Hauses, vor Pakistan- und Parteiflaggen sitzend.

Draußen spielten sich derweil Szenen ab, die an Straßenkampf erinnern. Die Beamten wurden von mindestens 200 Khan-Anhängern empfangen, von denen einige Stöcke schwangen und Steine warfen. Die Polizei feuerte mit Tränengas und Wasserwerfern zurück. Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera richtete einen Live-Ticker ein, um für eine Eskalation gerüstet zu sein. "Ich bin hier schon seit gestern Nacht und kann noch ein, zwei oder viele Tage bleiben", sagte ein vermummter Khan-Anhänger in die Kamera.

Khan fordert Neuwahlen - die er wohl gewinnen würde

Vor Gericht soll Khan, 70, sich wegen Verkäufen von Geschenken verantworten, die er während seiner Zeit als Premierminister von ausländischen Staatsgästen erhalten hat, darunter sieben Uhren die einen Wert von bis zu 300.000 US-Dollar haben. Die pakistanische Wahlkommission befand ihn für schuldig, nachdem er im April vergangenen Jahres durch ein Misstrauensvotum abgesetzt worden war. Khan sagt, er habe keine Regeln gebrochen und die Gegenstände legal verkauft.

Während die amtierende Regierung unter Shehbaz Sharif mit den Folgen der Flutkatastrophe zu kämpfen hat und die harten Auflagen des Internationalen Währungsfonds erfüllen muss, um eine Staatspleite abzuwenden, treibt der Ex-Premier seine Nachfolger seit Monaten vor sich her und fordert sofortige Neuwahlen - in der Gewissheit, dass er und seine Partei gewinnen würden. Dabei trägt Khan an der wirtschaftlichen Misere des Landes mindestens ebenso viel Schuld wie die jetzige Regierung. Doch er versteht es geschickt, die Streichung von Subventionen, beispielsweise bei Treibstoff, als Attacke der Herrschenden gegen die Armen auszulegen.

Seitdem der ehemalige Kricketstar, der einst als Reformer angetreten war, nach nur vier Jahren aus dem Amt gedrängt wurde, hält er landesweit Protestkundgebungen ab. Sie finden stetig mehr Zulauf, vor allem von jungen, frustrierten Männern. Bei einer dieser Auftritte, im Rahmen eines langes Marsches auf die Hauptstadt Islamabad, wurde Khan im vergangenen November ins Bein geschossen. Ein Attentat, das er seinem Nachfolger Sharif und dem mächtigen Militär des Landes anlastete.

Der Ex-Premier wirft seinem Nachfolger vor, ihn aus dem Rennen ziehen zu wollen

Auch sein wiederholtes Nichterscheinen vor Gericht, dessentwegen in der vergangenen Woche die Verhaftung angeordnet wurde, begründete Imran Khan mit Sicherheitsbedenken. In einem Tweet teilte er mit, er habe eine Bürgschaft unterzeichnet, die sein Erscheinen vor Gericht bis zum 18. März, dem kommenden Samstag, garantieren würde. "Wir haben die Polizei gebeten, die Entscheidung des Gerichts in dieser Angelegenheit abzuwarten", sagte Fawad Chaudhry, Khans enger politischer Berater und ehemaliger Informationsminister, der Nachrichtenagentur Reuters.

Die amtierende Informationsministerin Marriyum Aurangzeb erklärte hingegen am Dienstag, dass die Regierung nichts mit dem Haftbefehl gegen Khan zu tun habe. "Statt mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, bricht Imran Khan das Gesetz, widersetzt sich gerichtlichen Anordnungen und benutzt seine Parteimitarbeiter ... als menschliche Schutzschilde, um sich der Verhaftung zu entziehen und Unruhen zu schüren."

Shehbaz Sharif hat Khans wiederholte Forderungen nach Neuwahlen zurückgewiesen. Er erklärte, die Wahlen würden wie geplant noch in diesem Jahr stattfinden, sie sind für November angesetzt. Im Falle einer Verurteilung droht Khan ein Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden. Khan wirft seinem Nachfolger vor, ihn mit fabrizierten Gerichtsverfahren aus dem Rennen nehmen zu wollen. Ein Narrativ, dass bei seinen Anhängern greift und von Bildern wie denen am Dienstag befeuert wird.

Dass die Sicherheitskräfte mit Tränengas und Wasserwerfer auf Khans Anhänger losgehen, könnte das gebeutelte Land mit über 230 Millionen Einwohnern noch weiter destabilisieren. Neben dem drohenden wirtschaftlichen Kollaps verschlechtert sich auch die Sicherheitslage von Monat zu Monat, durch eine Reihe von tödlichen Anschlägen auf Polizeizentralen durch die pakistanischen Taliban. Für den Fall, dass Khan tatsächlich verhaftet wird, hat sich seine Partei bereits darauf eingeschworen, die Proteste zu verstärken.

Am Mittwoch Abend wies ein Gericht die Polizei an, den Versuch zur Verhaftung des ehemaligen Kricket-Stars Khan vorläufig einzustellen und damit die Zusammenstöße mit dessen Anhängern zu beenden. Die offizielle Begründung: die Sicherheitskräfte hätten sich zurückgezogen, um die Kricket-Meiserschaft "Pakistan Super League", das wichtigste Sportereignis des Landes, in einem nur wenige Kilometer entfernten Stadion zu sichern.

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