Krise in Pakistan:Die Rache des Imran Khan

Krise in Pakistan: Oppositionsführer Shehbaz Sharif tritt an die Stelle des gestürzten pakistanischen Regierungschefs Imran Khan.

Oppositionsführer Shehbaz Sharif tritt an die Stelle des gestürzten pakistanischen Regierungschefs Imran Khan.

(Foto: Akhtar Soomro/Reuters)

Kaum hatte der bedrängte Regierungschef in Islamabad das Misstrauensvotum verloren, verlegte er seinen Protest auf die Straße. Das bringt seinen Nachfolger Shehbaz Sharif in eine verzwickte Lage.

Von Arne Perras

Pakistans Premier Imran Khan war durch das parlamentarische Misstrauensvotum gerade erst entmachtet worden, da konzentrierte er seine ganze Kraft auch schon auf die Straße: Er mobilisierte Zehntausende Anhänger für Massenproteste in mehreren großen Städten. Sie zielen auf jenen Mann, der am Montagnachmittag vom Parlament zum neuen Premier gewählt wurde: Shehbaz Sharif.

Sharif, 70 Jahre alt, regierte lange die bevölkerungsreiche Provinz Punjab, wo seine Familie im Laufe der Jahrzehnte ein gewaltiges Industrieimperium aufgebaut hat. Es stützt sich im Wesentlichen auf Stahl und Zucker, umfasst aber auch Geschäfte mit Textilien, Zement und Düngemittel. Mit Sharif kommt nun eine dominierende politische Dynastie in Pakistan zurück an die Macht. Die Abgeordneten von Khans Partei hatten die Sitzung boykottiert und erklärten ihren Austritt aus der Nationalversammlung.

Der gestürzte Khan befeuert Proteste rhetorisch mit dem Vorwurf, das Land bekomme nun eine "importierte Regierung". Er stellt es so dar, als sei sie Ergebnis einer westlichen Verschwörung, nachdem er, Khan, eine unabhängige Außenpolitik betrieben habe, die den USA nicht gefallen habe. Substanzielle Belege für die Anschuldigung, dass die USA einen Regimewechsel in seinem Land betrieben hätten, legte Khan bisher nicht vor. Doch trifft der Anti-Amerikanismus einen Nerv, der sich gut für populistische Zwecke nutzen lässt.

Genüsslich wiederholt Khan immer wieder einen Satz, den Sharif im Streit um die Beziehungen zum Westen geäußert hatte: "Bettler können nicht wählerisch sein." Mit diesen Worten hatte Sharif darauf verwiesen, dass sein Land auf internationale Finanzhilfe angewiesen sei, um die ökonomische Krise zu bewältigen. Eine Steilvorlage für Khan, der sich bereits für die nächste Wahl als angeblich einziger aufrichtiger pakistanischer Politiker in Stellung bringt: Khan als Retter der Nation. Dass er noch immer den Ruf genießt, sich nicht durch korrupte Geschäfte verführen zu lassen, dürfte ihm - trotz ernüchternder Wirtschaftsbilanz seiner vier Regierungsjahre - in einem erneuten Wahlkampf helfen.

Korruption und Geldwäschevorwürfe: Die Familie Sharif ist vorbelastet

Khan will zweifellos so schnell wie möglich zurück an die Macht. Das bringt Sharif vom ersten Tag an in eine verzwickte Lage. "Die USA und die EU sind wichtige Handelspartner, auf die Pakistan in seiner wirtschaftlichen Krise nicht verzichten kann", sagt Niels Hegewisch, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad. "Sharif muss die Beziehungen zum Westen verbessern, ohne China und neuerdings auch Moskau zu verärgern. Das wird ein Drahtseilakt." Und Khan wird versuchen, Sharif mit Protesten auf der Straße vor sich her zu treiben.

Shehbaz Sharif ist der jüngere Bruder von Nawaz Sharif, der bereits drei Mal als Premier an der Macht war, zuletzt aber über Korruptionsvorwürfe fiel und im Exil in London lebt. Zwielichtige Transaktionen belasten auch den Bruder Shehbaz, der sich in einem Verfahren wegen mutmaßlicher Geldwäsche verantworten muss. "Der Geldwäschefall wird ihn auf jeden Fall verfolgen", sagt Hegewisch. "Aber die Menschen haben sich bei Politikern an Korruption und Geschäfte im legalen Graubereich gewöhnt." Es wird vermutet, dass Sharif versucht, die juristische Aufarbeitung so weit wie möglich hinauszuzögern und zu vernebeln - wie es oftmals in Pakistan der Fall ist.

Aber es verbinden sich auch Hoffnungen mit dem Antritt Sharifs. Als Premiere könnte der durchsetzungsstarke Politiker die Entwicklung des Landes vorantreiben. Wie Analysten hervorheben, hat sich Sharif als Chef der Provinz Punjab den Ruf eines fähigen Verwalters erworben, er hat chinesisch finanzierte Großprojekte umgesetzt, und nun wird er die Arbeiten an der sogenannten Neuen Seidenstraße Pekings fortführen: Der Korridor durch Pakistan bis in den Indischen Ozean zählt zu den wichtigsten Routen dieses geopolitischen Projektes.

Sharif kann sich gegenwärtig auf den Rückhalt des zweiten großen Politikerclans stützen, der Dynastie Bhutto. Die beiden Lager haben sich vorübergehend zusammengetan, um auf Khans Sturz hinzuarbeiten, politisch aber sind sie Rivalen. Bilawal Bhutto Zardari ist das junge ehrgeizige Gesicht einer alten Dynastie, die ihren Machtanspruch weiter geltend machen wird, sobald sich eine Gelegenheit dafür bietet.

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