Pakistan:Der Staatsfeind Nummer eins

Er galt als "Staatsfeind Nummer eins" und "neuer Osama bin Laden": Jetzt soll Baitullah Mehsud bei einem Drohnenangriff der USA ums Leben gekommen sein. Doch Zweifel bleiben.

Wolfgang Jaschensky

Qari Zainuddin war ein mächtiger Taliban. Er führte eine Splittergruppe der Taliban-Bewegung in Pakistan. Er war jung, charismatisch, gehörte einem der mächtigsten Paschtunen-Stämme Pakistans an und konnte auf die Unterstützung von angeblich 3000 bewaffneten Kämpfern zählen. Seine Botschaft: Islam steht für Frieden, nicht für Terror. Qari Zainuddin war die Hoffnung vieler gemäßigter Taliban.

Pakistan: Zeigte sich in der Öffentlichkeit nur ungern und bedeckt: Taliban-Anführer Baitullah Mehsud.

Zeigte sich in der Öffentlichkeit nur ungern und bedeckt: Taliban-Anführer Baitullah Mehsud.

(Foto: Foto: oH)

Am 21. Juni trat Zainuddin vor die Presse. Er sagte: Baitullah Mehsud ist kein heiliger Krieger, er ist ein ganz normaler Terrorist. Zwei Tage später wurde Qari Zainuddin im Schlaf erschossen. Der Täter war ein Wachmann - und aller Wahrscheinlichkeit nach ein Gefolgsmann von Mehsud.

Der Mord war eine Machtdemonstration des Mannes, der sich selbst Chef der pakistanischen Taliban nannte. Eines Mannes, dessen Name für Terror und Tod stand, der als "Pakistans größtes Problem", "Staatsfeind Nummer eins" oder als "neuer Osama bin Laden" galt. Jetzt soll dieser Mann bei einem US-amerikanischen Drohnenangriff in einer entlegenen Region Süd-Wasiristans an der Grenze zu Afghanistan ums Leben gekommen sein.

Wenn sich die Meldungen aus Taliban- und pakistanischen Geheimdienstkreisen bewahrheiten sollten, wäre es ein schwerer Schlag gegen den organisierten Terror in der Krisenregion. Doch von unabhängiger Seite ist der Tod des Taliban-Anführers bis jetzt nicht bestätigt - und Mehsud wurde bereits mehrmals totgesagt.

Bei dem Angriff sollen pakistanischen Sicherheitskreisen zufolge auch ein Bruder Mehsuds und sieben Leibwächter getötet worden sein. Zudem gebe es Hinweise, dass die Anführer mehrerer Taliban-Gruppen für Freitag eine Schura (Ratssitzung) in Wasiristan planten. Spekulationen zufolge könnte dort ein Nachfolger Mehsuds gewählt werden. Als Kandidaten gelten die Extremisten Hakimullah Mehsud, Maulana Azmatullah und Wali ur Rehman.

Herr über Tausende Kämpfer

Mehsud selbst galt als einer der wichtigsten Unterstützer des Terrornetzwerks al-Qaida, die USA hatten auf ihn ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Die Regierung in Islamabad machte ihn unter anderem für den Mord an Ex-Premierministerin Benazir Bhutto verantwortlich.

Vor allem aber stand Mehsuds Name für Terror und Schrecken in Pakistan, für Selbstmordanschläge auf Zivilisten, auf Moscheen, für unzählige Verletzte und Tote. Wasiristan geriet in den vergangenen Jahren mehr und mehr unter seine Kontrolle. Mehr als 10.000 Kämpfer sollen in Pakistan auf sein Kommando gehört haben, seine Terror-Camps sollen für stetigen Nachschub in Afghanistan gesorgt haben.

Gerade in den vergangenen Monaten war der Einfluss Mehsuds offenbar noch weiter gewachsen. Der Versuch des pakistanischen Militärs, Mehsuds Gegner zu vereinen und unter eigenen Einfluss zu bekommen, bewirkte offenbar das Gegenteil: Die militanten Gruppen rückten enger zusammen, Mehsud konnte seine Macht weiter ausbauen.

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