OSZE-Mission in der Ukraine:Von stillen Beobachtern zu Schiedsrichtern

Die Berichte der OSZE-Beobachter bilden die wichtigste Grundlage, auf der beim Krisentreffen in Genf die Lage in der Ukraine bewertet wurde. Ihre Aufgaben sollen nun erweitert werden - wie schnell sie in der Ukraine zwischen die Fronten geraten können, hat gerade Klaus Zillikens erfahren müssen.

Von Stefan Braun, Berlin

Diese Männer und Frauen tragen keine Waffen und haben keine große Macht. Sie haben nur ihre Augen, ihre Ohren und dürfen überall hin, wo sie hin möchten. Ansonsten haben die Mitglieder der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine bislang wenig Möglichkeiten, auf die Entwicklung in dem Land Einfluss zu nehmen. Aufschreiben, berichten, bewerten - das ist ihre Aufgabe.

Bislang hat das dazu geführt, dass diese stillen Zeugen der großen Krise öffentlich kaum wahrgenommen wurden. Doch seit in der vergangenen Woche die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Genf zusammentrafen, rücken die bis jetzt etwa 150 Beobachter mehr in den Fokus. Zum einen, weil ihre Berichte beim Treffen in Genf die wichtigste Grundlage bildeten, auf der sich alle vier Seiten auf eine Bewertung der Situation in der Ukraine verständigen konnten. Und zum anderen, weil es in erster Linie sie sein werden, die in den kommenden Tagen die Umsetzung der Vereinbarung von Genf überwachen sollen. Aus stillen Beobachtern werden nicht mehr ganz so stille Schiedsrichter, deren Urteil wesentlich sein wird bei der Frage, welche Seite sich wirklich für eine Deeskalation einsetzt.

Viel Kritik für einige wenige Äußerungen

Wie schnell sie dabei zwischen die Fronten geraten können, hat am Osterwochenende Klaus Zillikens erfahren müssen. Zillikens gehört zu den derzeit etwa 15 Deutschen, die der Mission angehören. Und er leitet eine Beobachtergruppe in einer der heikelsten Städte: in Donezk. Dort halten prorussische Gruppen seit Wochen Gebäude besetzt und proklamieren die Gründung der sogenannten Republik Donezk. Die Stadt im Kohle- und Stahlrevier Donbass gehört zu jenem Teil der Ostukraine, in dem mit der heftigste Widerstand gegen die Übergangsregierung in Kiew geleistet wird.

Zillikens ist dabei gut geeignet für diese Aufgabe. Vor Kurzem noch ist er als deutscher Generalkonsul in Donezk gewesen und war zuvor unter anderem an der Botschaft in Kiew und bei der OSZE in Wien stationiert. Doch all diese Erfahrung konnte nicht verhindern, dass er nun mit ein paar wenigen Äußerungen verbal unter Beschuss geriet, und zwar von beiden Seiten. Der deutsche Diplomat hatte einem kremlkritischen russischen Sender erklärt, die Menschen in den Städten und Regionen, die von prorussischen Kräften besetzt seien, würden unter der gegenwärtigen Lage sehr leiden, weil beispielsweise Rentner keine Renten mehr erhielten und viele Behörden nicht mehr funktionierten. Danach fühlten sich alle Seiten kritisiert, die Russen, die prorussischen Kräfte, aber auch die schwächelnde Kiewer Übergangsregierung. Prompt kritisierten viele den deutschen Delegationsleiter.

Berlin ist zufrieden mit Aufwertung der OSZE-Mission

Dies ist unangenehm, kommt aber nicht überraschend. Zumal, seit in Genf beschlossen wurde, die Aufgaben der Beobachter zu erweitern. Künftig sollen sie nicht nur schauen und aufschreiben, sondern auch die Entwaffnung illegaler Gruppen überwachen, seien es prorussische oder ukrainisch-nationalistische Kräfte. Und sie sollen die Aufständischen vom Verlassen öffentlicher Gebäude überzeugen. Damit rücken sie auf in eine zentrale Rolle bei der Schlichtung des Konflikts. Sie werden zu Oberschiedsrichtern und von allen Seiten entsprechend kritisch beäugt.

In Berlin wird die Aufwertung der OSZE-Mission freilich mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Neben dem derzeitigen Vorsitzenden der OSZE, dem Schweizer Präsidenten Didier Burkhalter, war es vor allem Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der seit Januar versucht hat, die OSZE als neutrale Organisation ins Spiel zu bringen. In Deutschland wurde im Jahr 2002 das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze gegründet. Das ZiF dient zur Aus- und Fortbildung von Bewerbern für solche Einsätze. Derzeit gehören dem Pool ausgebildeter Kräfte gut 1000 Frauen und Männer an, die alle Erfahrung auf dem Feld der internationalen Zusammenarbeit mitbringen müssen. Darunter Mitarbeiter aus dem Auswärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium, aber auch viele Externe, die Erfahrungen in ausländischen Konfliktregionen gesammelt haben. Sie werden vor einer Entsendung ausgewählt und dann von den einzelnen Ländern der 57 OSZE-Mitgliedsstaaten nominiert.

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