Katholische Kirche:„Wir hätten nie gedacht, dass wir den Papst sehen können“

Lesezeit: 3 Min.

Gläubige auf dem Weg zur Messe mit dem Papst in Osttimor. (Foto: Yasuyoshi Chiba/AFP)

Papst Franziskus hat auf seiner Südostasien-Tour in Osttimor eine Messe vor 600 000 Gläubigen gehalten. Viele jubeln ihm zu – doch es gibt auch kritische Stimmen.

Von David Pfeifer, Bangkok

Eine Millionenfrage: Welches ist das katholischste Land der Welt? Mexiko, Polen, die Philippinen? Es ist Osttimor, mit einem Anteil von etwa 96 Prozent Katholiken in der Bevölkerung. Der Besuch von Papst Franziskus, 87, dort war also ein Heimspiel. Es war aber auch der politisch bedeutendste Termin auf seiner Südostasien-Reise, die ihn schon nach Indonesien geführt hatte und nach Papua-Neuguinea.

Osttimor, das in der Bandasee nordöstlich von Australien liegt, ist nicht nur bemerkenswert katholisch – ein Erbe der portugiesischen Kolonialherren –, sondern auch eine der jüngsten Demokratien der Welt. 1975 hatte die indonesische Armee die Insel besetzt und unzählige Menschenrechtsverbrechen begangen, von denen viele bis heute nicht aufgeklärt sind. Etwa 200 000 Osttimorer starben. Erst 2002 wurde Osttimor von den Vereinten Nationen in die Unabhängigkeit entlassen. Bis heute gehört die zweite Hälfte der Insel zu Indonesien.

Einen Missbrauchsfall erwähnt der Papst lieber nicht

Der Besuch von Johannes Paul II. im Jahr 1989 gilt bis heute als wichtiger Tag im Unabhängigkeitskampf der katholischen Osttimorer von einem mehrheitlich muslimischen Indonesien. Die Bedeutung des Papstbesuchs für die Frauen und Männer in Osttimor kann man also nicht hoch genug hängen. So ist auch zu erklären, dass in der Nacht von Montag auf Dienstag laut Vatican News etwa 600 000 Gläubige zur Messe in der Hauptstadt Dili anreisten, etwa die Hälfte der Bevölkerung Osttimors. Die Gläubigen harrten teilweise nachts um ein Uhr aus, um einen guten Platz zu erwischen. Als der Papst schließlich sprach, herrschten 32 Grad und viele Besucher suchten vor der gleißenden Sonne Schutz unter weiß-gelb gestreiften Schirmen, den Farben der Vatikan-Fahne.

Der Priester Pedro Amoral reiste mit 800 Gläubigen aus seinem Dorf Zumalai an: „Ich bin so glücklich, weil wir hätten nie gedacht, dass wir den Papst sehen können“, zitiert ihn die Nachrichtenagentur Reuters. Wer weiß, wann wieder ein Papst kommt? Das Durchschnittsalter in Osttimor liegt bei nur 21,3 Jahren, „In der Tat, ihr seid ein junges Land, und wir können sehen, dass es in jedem Winkel eures Landes von Leben wimmelt“, sagte Franziskus während der Messe mit einem Blick in die Menge. Seine Predigt hielt er in Tasitolu, einem Naturschutzgebiet am Meer. Ein geschichtsträchtiger Ort, denn hier versenkte die indonesische Armee die Leichen von Osttimorern im Widerstand.

Der Papst ging in seiner Rede auch auf den Unabhängigkeitskampf ein. „Danken wir Gott dafür, dass Sie während einer so dramatischen Zeit Ihrer Geschichte die Hoffnung nicht verloren haben, und dafür, dass nach dunklen und schwierigen Tagen endlich eine Morgendämmerung des Friedens und der Freiheit angebrochen ist.“ Zu den heutigen Herausforderungen von Osttimor gehört neben hoher Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Korruption und Kinderarbeit auch Kindesmissbrauch. Die katholische Kirche hat hier, am anderen Ende der Welt, die gleichen Probleme wie überall.

Der Papst rief bereits direkt nach seiner Ankunft am Montag in einer Rede vor Staatsvertretern dazu auf, „alles zu tun, um jede Art von Missbrauch zu verhindern und eine gesunde und friedliche Kindheit für alle jungen Menschen zu garantieren“. Konkreter wurde er nicht. Im Vorfeld war darüber spekuliert worden, ob er auf den Fall von Bischof Carlos Ximenes Belo eingehen würde. Belo, ein Held der Unabhängigkeitsbewegung und Friedensnobelpreisträger, wird beschuldigt, in den 1980er- und 1990er-Jahren Jungen sexuell missbraucht zu haben. Der Vatikan hatte im Jahr 2020 Disziplinarmaßnahmen gegen Belo verhängt, darunter Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und ein Verbot des Kontakts mit Minderjährigen. Doch Belo erwähnte der Papst nicht.

Die nächste Station, Singapur, dürfte für den Papst ganz anders werden

Das wurde von Opferverbänden kritisiert. Negative Schlagzeilen machte im Vorfeld des Papstbesuchs auch das Vorgehen der Regierung, Häuser von Armen in Tasitolu niederwalzen zu lassen, und dass viel Geld ausgegeben wurde, unter anderem etwa 900 000 Euro für einen neuen Altar. Nach Angaben der Vereinten Nationen lebt derzeit fast die Hälfte der Bevölkerung von Osttimor unterhalb der Armutsgrenze.

Während aber immerhin doch fast die Hälfte der Bevölkerung dem Papst zujubelte, bereitet sich unterdessen in Singapur ein 1500 Stimmen starker Chor auf den Besuch von Franziskus vor. Der Papst wird am Mittwoch in den Stadtstaat weiter reisen, es ist die letzte Station seiner Reise. Die Messe dort wird etwas bescheidener ausfallen, etwa 50 000 Teilnehmer werden erwartet. Nur etwa sieben Prozent der 3,7 Millionen Einwohner Singapurs sind katholisch. Der Besuch in Singapur scheint eher geopolitisch motiviert zu sein: Dem Papst ist daran gelegen, die Beziehungen des Vatikans zu China zu verbessern. In Singapur leben viele Chinesinnen und Chinesen, die Verbindungen nach Peking sind traditionell eng.

Wenn Papst Franziskus am Freitag nach Rom zurückfliegt, wird er etwa 33 000 Kilometer zurückgelegt haben, einige Meter davon im Rollstuhl, da er wegen Knie- und Rückenbeschwerden nicht mehr gut zu Fuß ist. Trotzdem hat er sich mit 87 Jahren die längste Reise seines Pontifikats zugemutet. Das übergreifende Thema war der menschengemachte Klimawandel, den man in dieser Region der Welt schon sehr konkret erleben kann. Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens, versinkt im Meer, während Singapur bereits heute Sandbänke aufschüttet, um Neubauten erhöht zu errichten, weil der Meeresspiegel steigt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBangladesch
:Eine Frage von Siegen und Sterben

Seit Sheikh Hasina aus dem Land gejagt wurde, regieren diejenigen Bangladesch, die gestern noch im Gefängnis saßen. Besuch bei Nahid Islam, der über Nacht vom Studenten zum Minister wurde und jetzt versucht, ein besseres Land aufzubauen.

Von David Pfeifer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: