Schon wieder ist anscheinend ein Schaden an einem Unterseekabel in der Ostsee aufgetreten – und schon zum dritten Mal betrifft es wohl das 1200 Kilometer lange Datenkabel C-Lion1, das zwischen Finnland und Deutschland verläuft.
Hannu Muikku, der Geschäftsführer der finnischen Telekommunikationsfirma Cinia, sagte der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat, das Kabel funktioniere normal, weise „aber wohl seit Anfang der Woche einen Schaden auf“. Ob dieser von einer der beiden vorhergehenden Beschädigungen herrührt oder von einem neuen Ereignis, vermochte Muikku zunächst nicht zu sagen. Er erklärte, der Schaden könne auch natürliche Ursachen haben: Wenn das Kabel über Felsboden verlaufe „und die Meeresströmungen stark genug sind, können sie das Kabel bewegen, das dann am Felsen reibt und sich mit der Zeit abnutzt“. Allerdings gab es derartige Risse durch natürliche Ursachen in der Ostsee bisher nur äußerst selten.
Es könnte auch sein, dass der Schaden bei einem anderen Sabotageakt entstanden und bisher nur noch nicht entdeckt worden sei, schrieb der finnische Rundfunksender Yle.
In Schweden und Finnland war der Vorfall am Freitag jedenfalls in allen Medien die wichtigste Meldung. Das zeigt, wie ernst die Serie an seltsamen Vorfällen in der Ostsee dort genommen wird.
Die schwedische Staatsanwaltschaft ermittelt
Da die aktuelle Störung laut dem schwedischen Fernsehsender SVT vor Gotland und damit in der ausschließlichen Wirtschaftszone von Schweden aufgetreten ist, hat die schwedische Staatsanwaltschaft vorläufige Ermittlungen aufgenommen. Die Küstenwache schickte am Freitagvormittag ein Schiff in die betreffende Gegend. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson schrieb auf X, seine Regierung nehme „alle Berichte über mögliche Schäden an der Infrastruktur der Ostsee sehr ernst. Wie ich bereits sagte, müssen sie im Kontext einer ernsten Sicherheitslage betrachtet werden“.
Die finnische Innenministerin Mari Rantanen sagte, die finnischen Behörden seien an der Untersuchung der Vorfälle beteiligt. Man wisse bislang nicht genau, was vorgefallen sei, aber es habe in letzter Zeit so viele Beschädigungen gegeben, „dass die Wahrscheinlichkeit eines Zufalls ziemlich gering ist“.
Ende November 2024 war an demselben Kabel ein Riss aufgetreten. Das chinesische Frachtschiff Yi Peng 3 hatte damals in genau dem Zeitraum, in dem der Schaden entstand, seltsame Fahrmanöver über dem Kabel vollzogen. Außerdem hatte die Yi Peng 3 in den entsprechenden Stunden ihr automatisches Identifikationssystem deaktiviert, das alle Schiffe eigentlich permanent angeschaltet lassen sollen.
Der Schaden war kaum behoben, als das Kabel erneut zu Bruch ging: Am ersten Weihnachtsfeiertag wurden C-Lion1 und vier weitere Kabel beschädigt. Die finnischen Behörden stoppten und beschlagnahmten daraufhin den auf den pazifischen Cookinseln registrierten Rohöltanker Eagle S, weil der dringende Verdacht bestand, dass er alle fünf Kabel mit seinem hinterherschleifenden Anker beschädigt haben soll. Die Eagle S liegt seither in finnischen Gewässern, die dortige Kriminalpolizei ermittelt wegen Sabotage. Die Eagle S soll Teil der russischen Schattenflotte sein.
„Fast alles kann als Waffe gegen die EU eingesetzt werden: Kabel, Wahlen und Migranten.“
Als Reaktion auf die Vorfälle rund um das C-Lion1-Kabel und weiterer Schäden an kritischer Infrastruktur in den vergangenen Jahren hat die Nato Mitte Januar die Operation „Baltic Sentry“ ins Leben gerufen. Seither patrouillieren verstärkt Schiffe, Aufklärungsflugzeuge und Hubschrauber der Nato im Ostseeraum.
Auf einer Pressekonferenz am Freitagmittag, die schon vor dem aktuellen Vorfall anberaumt worden war, sagte Henna Virkkunen, Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission für technische Souveränität, die EU müsse in der Lage sein, ihre kritische Infrastruktur besser zu schützen. Deshalb werde die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Nato weiter intensiviert. Noch diese Woche soll ein US-amerikanisches Kriegsschiff in Finnland eintreffen und etwa einen Monat lang im Finnischen Meerbusen mit der dortigen Küstenbrigade zusammenarbeiten.
Laut Virkkunen haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass „fast alles als Waffe gegen die EU eingesetzt werden kann: Kabel, Wahlen und Migranten“. Sie kündigte an, die EU werde 450 Millionen Euro aus dem gemeinsamen Haushalt für den Bau weiterer Pipelines und Kabel bereitstellen. „Damit soll sichergestellt werden, dass kein EU-Land von nur einer Verbindung abhängig ist“, so Virkkunen.
Entlang der schon bestehenden unterseeischen Infrastruktur werde man neue Sensoren anbringen und in Zukunft vermehrt Satelliten und Drohnen zur Überwachung des Ostseeraums einsetzen. Außerdem, so Virkkunen, suche man nach Möglichkeiten, alle Schiffe der russischen Schattenflotte untersuchen zu können, die unter EU-Sanktionen fallen. Nach internationalem Seerecht ist es bislang nur in ganz wenigen Ausnahmefällen möglich, Schiffe zu betreten, die sich in internationalen Gewässern befinden.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde aktualisiert.