Osteuropa:Warum Moskaus Einfluss in Europa wächst

T-shirts depicting images of Russia's President Vladimir Putin and former USSR coat of arms are on sale at the street in central Chisinau

Chișinău, Hauptstadt Moldawiens: Sehr gefragt sind hier Russland- und UdSSR-Devotionalien, so auch mit dem Konterfei Wladimir Putins.

(Foto: REUTERS)

Lange zog die EU osteuropäische Länder kraftvoll an. Das ändert sich gerade. In diesem Teil Europas kommt es zu einer schleichenden Kräfteverschiebung.

Kommentar von Frank Nienhuysen

Das eine Land fühlt sich in der EU längst heimisch, das andere will erst noch hinein. Aber: Weiß man das noch so genau? Zwei Stichwahlen gab es jetzt in Europa, zwei Mal kann Moskau sich freuen, zwei Mal bekam Brüssel einen Denkzettel verpasst. In Bulgarien wird ein Sozialist Präsident, der sich für das Ende der EU-Sanktionen gegen Russland einsetzt. In der Republik Moldau strebt das neue Staatsoberhaupt sogar die radikale Wende an: weg vom EU-Kurs, hinein in die Eurasische Wirtschaftsunion, ein Bündnis ehemaliger Sowjetrepubliken. Moskaus Einfluss in Europa wächst.

So lange ist es noch nicht her, da wirkte die Europäische Union in osteuropäischen Ländern wie eine Art politischer Staubsauger. Sie sog Staaten geradezu an, so kraftvoll ist sie gewesen. Doch Russland legt im Wettstreit mit der EU wieder zu, und Moskau setzt dabei die unterschiedlichsten Werkzeuge ein. In der Ukraine kam es zum offenen Völkerrechtsbruch (die Halbinsel Krim), Armenien wurde mit militärischen Sicherheitsgarantien gegenüber Aserbaidschan gelockt; der ohnehin verarmten Republik Moldau setzt Russland mit Einfuhrverboten zu; auf dem Balkan nutzt Moskau vor allem seine Stellung als Energie-Macht. Die engen wirtschaftlichen Verbindungen aus alter Sowjetzeit kommen Russland dabei ebenso zugute wie die im Osten weit verbreitete russische Sprache, die manche Länder anfälliger machen für Propaganda-Sendungen po-russkij.

Das alles ist nicht entscheidend für die schleichende Kräfteverschiebung im Ostteil des Kontinents. Wäre sie vor allem Russlands Stärke geschuldet, dann hätte sie sich bei hohen Ölpreisen und ebenso hohen Petrodollar-Gewinnen viel früher abgezeichnet. Jetzt aber darbt die russische Wirtschaft wie lange nicht.

Russland buhlt erfolgreich um Staaten an der EU-Peripherie

Es ist besonders Europas Schwäche, die Russland stärkt. Der EU-Beitrittskurs ist für die Staaten in Europas mittlerem Osten immer auch extrem anstrengend gewesen, weil Brüssel pingelig wie ein strenger Buchhalter auf Tausende Reformen gepocht hat. Diese Staaten wussten aber auch: Am Ende würde sich die Mühsal auszahlen. Das hat sich nun geändert.

Die EU ist spätestens seit dem Brexit und der Flüchtlingskrise derart mit ihrer eigenen Existenz beschäftigt, dass für neue Anwärter kein Platz mehr zu sein scheint. Das aber lässt den Reformeifer im Osten erlahmen und ermuntert zu neuen Zweck-Allianzen. In Serbien bewegen sich die Verhandlungen mit der EU kaum vom Fleck, gleichzeitig trainiert das Land die "slawische Brüderschaft" - in einem Militärmanöver mit russischen und weißrussischen Soldaten. In der Republik Moldau und im EU-Land Bulgarien floriert die Korruption, was den so modern gewordenen Kampf gegen das Establishment, gegen die herrschenden Verhältnisse, weiter befeuert. Bei all dem verliert die europäische Idee ihre anziehende und bindende Wirkung. Russland springt da gerne in die Bresche. Kaum ist die Wahl vorüber, will Moskau mit Sofia wieder über die Gasröhre South Stream reden.

Interessen von Nationalstaaten hat es schon immer gegeben. Auch Deutschland hat beim Bau der Ostseepipeline zum Ärger anderer EU-Staaten gezeigt, wie man einen Bogen um die Wünsche anderer Europäer machen kann. Und doch haben sich die Zeiten noch mal geändert. Die Neigung zu autoritärer Führung in Europa wächst und damit auch der Einfluss jener Politiker, die etwa Wladimir Putin nicht mehr nur für einen unberechenbaren Staatschef jenseits aller Rechtsstaatlichkeit halten.

Das Dilemma liegt also durchaus auf Seiten der EU. Sie sucht nach einem Rezept gegen den wachsenden Populismus und kann sich deshalb um Moldau oder den Balkan nur halbherzig kümmern. Eine Chance, die sich Russland nicht entgehen lässt.

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