Süddeutsche Zeitung

Osteuropa:Schwieriger Kampf gegen Korruption

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Viele Gründe gibt es für Machtmissbrauch in Ländern wie Rumänien, Ungarn, Griechenland und Bulgarien. Nur Estland beweist mit Reformen und Transparenz, dass es besser geht.

Von Florian Hassel, Warschau

Es war eine unliebsame Überraschung für Liviu Dragnea, als ihn das Oberste Gericht Ende Mai wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch rechtskräftig verurteilte: Wenige Stunden später wurde der bis dahin als Chef der regierenden Postkommunisten (PSD) sowie als Parlamentspräsident und faktischer Regierungschef mächtigste Mann Rumäniens von der Polizei in Haft genommen. Dragnea könnte für etliche Jahre hinter Gittern bleiben: Gegen ihn läuft außerdem ein Verfahren wegen des Verdachts auf millionenschweren Betrug mit rumänischen Steuergeldern und EU-Subventionen. Der Fall Dragnea ist der wohl spektakulärste Einzelerfolg im Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch in einem EU-Mitgliedsland.

Rumänien hat den Erfolg auch bitter nötig: Das Land gehört zu den korruptesten Staaten in der EU. Im weltweiten Korruptionsindex von Transparency International (TI) liegen nur Ungarn (Platz 64), Griechenland (Platz 67) und EU-Schlusslicht Bulgarien (Platz 77) hinter Rumänien (Platz 61). Korruption ist in Rumänien allgegenwärtig. Eine Rentnerin etwa musste ihrem Arzt in einem öffentlichen Krankenhaus vor einer Unterleibsoperation eine Flasche Whiskey für umgerechnet 100 Euro kaufen - ähnliche Beispiele finden sich in anderen Verwaltungsbereichen.

Hinter der Korruption stehen oft die gleichen Gründe: ein drastisch überbesetzter, doch schlecht bezahlter öffentlicher Dienst, politische Traditionen von Klientelismus und fehlendem Rechtsbewusstsein sowie das Fehlen unabhängiger Kontrollinstitutionen, Ermittler und Richter. Zwar hat die über Rumänien hinaus als vorbildlich geltende Antikorruptionsbehörde DNA in den vergangenen Jahren über 1000 Amtsträger wegen Korruption und Amtsmissbrauch angeklagt; die überwältigende Mehrheit wurde verurteilt.

Nur Estland beweist mit Reformen, dass es besser geht

Die Korruption ist aber kaum zurückgegangen. Und der korrupte Apparat schlägt zurück: Rumäniens Regierung hat Korruption und Amtsmissbrauch mit internationalen Standards widersprechenden Gesetzen und Erlassen entkriminalisiert. Dragnea könnte wieder frei kommen, wenn das von seiner Partei kontrollierte Verfassungsgericht seine Verurteilung aufhebt.

Korruption, Demokratie und Rechtsstaat hängen in Osteuropa eng zusammen: Ungarn ist unter dem autokratischen Regime von Viktor Orbán im TI-Ranking seit 2012 gleich neun Plätze zurückgefallen. Tschechien hatte sich seit 2014 zwar stetig verbessert (TI-Platz 38), doch das Land kann nun unter dem des millionenschweren Betruges verdächtigen Ministerpräsident Andrej Babiš zurückfallen. Polen war lange ein Musterschüler unter den neuen EU-Ländern. Während die nicht zur EU gehörende Ukraine, die beim Ende des Kommunismus gleichauf mit Polen lag, heute mit Platz 120 des TI-Rankings europäisches Korruptionsschlusslicht ist, liegt Polen auf Platz 36. Ähnlich wie Ungarn könnte Polen deutlich zurückfallen: Unter der nationalpopulistischen Regierung sind alle staatlichen Kontrollinstanzen geschwächt worden, werden lukrative Posten bei polnischen Staatsfirmen verdienten Parteifunktionären zugeschoben. Die letzten Monate sahen etliche spektakuläre Fälle von Korruptionsverdacht auf höchster Ebene, von der Finanzaufsicht bis zur Regierungspartei PiS. Öffentliche Aufarbeitung fehlt vollständig.

Nur das kleine Estland beweist mit Platz 18, dass es besser geht. Positiv wirken umfangreiche Reformen und Transparenz im Verwaltungs- und Regierungsprozess, bei dem die Esten vieles online abrufen und überprüfen können.

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SZ vom 17.06.2019
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