Ostermärsche:Virtuelle Welt statt Straße

Ostermärsche

Schwächelndes Ritual: Ein Ostermarsch 2014 in Frankfurt.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht zum Ostermarsch: Die Organisatoren der traditionellen Proteste haben es inzwischen schwer - das liegt aber nicht einfach daran, dass es keine Kriegsgegner mehr gibt.

Einst kamen Hunderttausende, zwischendurch mal deutlich weniger und dann gab es immer wieder mal einen Aufschwung. Die Geschichte der Ostermärsche hat viele Aufs und Abs erlebt, in diesen Tagen gäbe es jedenfalls jede Menge Anlässe, um wieder für Frieden und Gerechtigkeit auf die Straße zu gehen. Die Organisatoren bemühen sich auch mit großem Eifer - allein ein allzugroßer Erfolg ist nicht absehbar. Maximal stabile Teilnehmerzahlen sind zu erwarten. Trendforscher Peter Wippermann sieht die Ursachen in Politikverdrossenheit und einer veränderten Lebenseinstellung.

Im vergangenen Jahr sollen 30 000 Menschen an den Märschen teilgenommen haben

So sind die Arbeit und das Leben nach den Worten des Forschers stärker individualisiert. "Das heißt: Jüngere Leute schießen sich projekthaft auf einzelne Themen ein und gehen dann nicht auf die Straße, sondern in die virtuelle Welt. Es gibt Gruppen, die permanent irgendwelche Demonstrationen im Netz organisieren." Werde eine politische Aktion wie der Ostermarsch zum Ritual, sei das für jüngere Menschen nicht akzeptabel. Die Ängste der Menschen, etwa vor einer Eskalation des Krieges in der Ukraine, seien durchaus ähnlich wie früher. "Aber die Ängste richten sich nicht so sehr auf das kollektive Friedensbewusstsein, weil es nicht mehr das klare Ost-West-, also Gut-Böse-Schema gibt. Die Ängste sind sehr unterschiedlich. Und Untersuchungen weisen alle in die Richtung, dass die Ängste eher im Privaten liegen", betont Wippermann.

Gleichwohl sind wieder mehr als 70 Demonstrationen, Kundgebungen und Feste geplant. Ein Schwerpunkt soll der militärische Konflikt in der Ukraine sein. Am Freitag forderten etwa 350 Teilnehmer in Gronau die sofortige Stilllegung der dortigen Urananreicherungsanlage. Im vergangenen Jahr hatten nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative bundesweit etwa 30 000 Menschen an Ostermärschen teilgenommen.

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