Treffen mit Merkel:Ostdeutsche Regierungschefs wünschen sich Geld und Respekt

Ost-Ministerpräsidentenkonferenz

Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer mit Kanzlerin Merkel, Berlins Regierendem Bürgermeister und dem Ostbeauftragten der Regierung.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Die Ministerpräsidenten hatten an ihr Treffen mit Merkel hohe Erwartungen. Dieses Jahr brauchen sie Erfolge. In drei ostdeutschen Bundesländern wird im Herbst ein neuer Landtag gewählt.

Von Ulrike Nimz, Neudietendorf

Die Regierungschefs der ostdeutschen Bundesländer tagen traditionell an so malerischen wie abgeschiedenen Orten. 2017 war es Schloss Muskau im östlichsten Sachsen, 2018 das Kurstädtchen Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt, nun Neudietendorf in Thüringen. Hier wird seit 1828 der "Aromatique" hergestellt, ein Magenbitter, von Kennern nur "Aro" genannt, erfunden von einem Apotheker, der damit die Pest eindämmen wollte.

Nicht auszuschließen, dass alle Beteiligten ein Likörchen brauchen werden, nach dieser Sitzung. Vergangene Woche erst schrieben die Ministerpräsidenten von Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg der Kanzlerin einen Brandbrief. Darin beklagen die Chefs der drei Braunkohleländer, dass viele Projekte, die aus den Regionen an die Kohlekommission herangetragen wurden, in aktuellen Gesetzesentwürfen zum Strukturwandel nicht vorkommen. Politische Verabredungen würden relativiert, Vertrauensverlust drohe.

In Neudietendorf fällt der Empfang der Kanzlerin dann doch recht herzlich aus, schnell noch ein "Familienfoto" im Garten des Zinzendorfhauses. Zuvor haben die Ministerpräsidenten eine Führung durch das evangelische Zentrum bekommen, sind über den Friedhof geschlendert, vorbei an bemoosten Gräbern. Fast sahen sie selbst aus wie eine Trauergemeinde, eine Polonaise aus nachtblauen Anzügen und ein Farbtupfer namens Manuela Schwesig (SPD). Danach haben sie sich sehr Weltlichem widmen müssen: Geld.

Seit Langem drängen die Ost-Länder darauf, dass sich der Bund stärker an den Kosten für die DDR-Zusatz- und Sonderrenten beteiligt; es geht um jährlich drei Milliarden Euro, mehr als eine Million Menschen im Osten sind betroffen. Wie die von 2021 an sinkenden EU-Zuschüsse kompensiert werden sollen, wird beraten. Daneben sind Breitbandausbau und Landarztmangel Probleme, die verlässlich die Agenda Ost bestimmen. Genauso wie die An- und notfalls Umsiedlung von Bundesbehörden, ein Lieblingsthema des aus Thüringen stammenden Ostbeauftragten Christian Hirte (CDU). Die Gefahr bei Turnustreffen ist, dass es zu wenig mehr kommt, als dem Auffrischen von Erwartungen. Die Ost-Länderchefs sprechen für fast 16 Millionen Menschen. Im Jahr, in dem Kommunalparlamente und drei Landtage neu gewählt werden, wollen sie Erfolge vorweisen.

Das heißt: möglichst verbindliche Zusagen. Es ist ein Vorteil des Thüringer Ministerpräsidenten, dass er im Superwahljahr den Vorsitz innehat, mit der Kanzlerin vor die Presse treten und sich als Kämpfer für den Osten präsentieren kann. Zumal sein rot-rot-grünes Regierungsbündnis in Thüringen derzeit keine Mehrheit hat. "Es geht nicht ums Jammern, es geht um Respekt", betont Bodo Ramelow (Linke) zu Beginn des Treffens. Zwar habe der Osten sich gut entwickelt, von gleichwertigen Lebensverhältnissen könne aber auch 30 Jahre nach dem Mauerfall keine Rede sein.

"Ich wäre froh, wenn die Themen, die SPD, CDU und CSU in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, mit Zahlen untersetzt werden." Seien es die Kosten für die Sanierung stillgelegter Kali-Gruben, an denen sich der Bund beteiligen soll, oder die Einrichtung von Forschungszentren - Ramelow spart nicht mit Forderungen in Richtung Berlin. Seit vier Jahren im Amt ist das Treffen mit Merkel für Thüringens Ministerpräsident eine kleine Premiere: Bislang hat die Regierungschefin es vermieden, sich allein an der Seite des ersten linken Landesvaters zu zeigen. Nun stehen sie nebeneinander im Raum "Himmlisches Jerusalem".

Man habe sich über eine Richtung verständigt, so Ramelow, wolle nicht zulassen, dass in Sachen EU-Förderung Ost und West gegeneinander ausgespielt werden. Im Fall der Sonderrenten werde man "hartnäckig weiterbohren". Merkel lobt die "unglaubliche Aufbauleistung" der neuen Länder. "Ich kenne die emotionalen Befindlichkeiten im Osten und weiß, wie wichtig kleine Schritte sind." Die Verteilung der Bundesbehörden sei nicht zufriedenstellend. "Wir müssen aufpassen, dass strukturelle Unterschiede nicht größer werden." Die Kanzlerin verweist auf die von Bund und Ländern eingesetzte Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Im Sommer will die erste Ergebnisse vorstellen.

Vielleicht klappt es ja dann mit den Zusagen.

Geld für Opfer

Die Rehabilitierung von SED-Opfern sollte aus Sicht des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Christian Hirte, Vorrang haben vor einer Entlastung der Länder bei den DDR-Sonderrenten. Beide Vorhaben stünden im Koalitionsvertrag von Union und SPD, seien jedoch nicht finanziell unterlegt, sagte Hirte vor dem Treffen der Ost-Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel. Entsprechend äußerte sich auch Justizministerin Katarina Barley. "Die Opfer politischer Verfolgung in der ehemaligen DDR müssen rehabilitiert und entschädigt werden", sagte sie. Hirte betonte, viele SED-Opfer lebten heute in sozial prekären Situationen. dpa

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