Süddeutsche Zeitung

Ostdeutschland:Altern in Armut

Alarmierende Prognose für die Altersvorsorge in Ostdeutschland: Vielen Menschen droht eine Rente auf Hartz-IV-Niveau, weil sie keine ausreichenden Versorgungsansprüche aufbauen konnten.

Jens Schneider

In Ostdeutschland droht mittelfristig eine starke Zunahme der Altersarmut. In absehbarer Zukunft werden viele Rentner in den neuen Ländern nur noch eine niedrige Altersversorgung erhalten oder auf die sogenannte Grundsicherung im Alter angewiesen sein, weil sie wegen langer Arbeitslosigkeit oder zu niedriger Einkommen keine ausreichenden Versorgungsansprüche aufgebaut haben.

Zu dieser Schlussfolgerung kommt eine Analyse, die der Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn, gemeinsam mit dem Sozialminister von Mecklenburg-Vorpommern Erwin Sellering (beide SPD) verfasst hat. Demnach wird die Zahl der, wie es in dem Papier heißt, "verhältnismäßig reichen" Rentner im Osten sich allmählich verringern und zu einem beträchtlichen Teil durch eine Generation vergleichsweise "armer" Rentner ersetzt werden.

Die Analyse, die an diesem Montag im Forum Ost der SPD diskutiert werden soll, beschreibt die Situation der Älteren in den neuen Ländern aktuell als solide. Sie erinnern daran, dass die ostdeutschen Rentner "gelegentlich sogar als die wahren Gewinner der Einheit bezeichnet worden sind", weil sie sich auf ungeschmälerte Beitragszeiten stützen konnten. Das bedeutet, dass Frauen im Rentenalter im Osten derzeit oft besser dastehen als im Westen.

Doch ein Blick ins Jahr 2025 gibt laut den Autoren Anlass zu Sorge. Mit zunehmendem Abstand zur DDR, entwickle die in den neuen Ländern typische Kombination von überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und unterschiedlichem Lohnniveau stärkere Durchschlagskraft auf die Alterseinkünfte. Auch würden die Folgen der minimalen Rentenabsicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld und Mini-Jobber deutlicher sichtbar.

Erschwerend kommt demnach hinzu, dass viele Ostdeutsche - anders als künftige Rentner im Westen - aufgrund ihrer Erwerbslage keine zusätzliche Altersvorsorge aufbauen könnten. Bei Frauen und Männern werde die durchschnittliche Rentenhöhe zurückgehen. Während von 1942 bis 1946 geborene Männer noch im Schnitt 967 Euro erhielten, würde die Durchschnittsrente der in den Jahren 1957 bis 1961 geborenen bei 820 Euro liegen. Für Frauen nennt die Analyse einen Rückgang von 820 auf 690 Euro.

Dabei könnten viele heute Erwerbstätige wegen ihres geringen Einkommens gar keine Anwartschaften auf eine Rente aufbauen, die noch oberhalb der Grundsicherung für Rentner lägen. Das sei erst mit einem Einkommen oberhalb eines Stundenlohns von 7,50 Euro möglich, bei fast jedem fünften im Osten liege der Verdienst darunter.

Erst recht würden Langzeitarbeitslose und Ostdeutsche mit "Patchwork-Biographien", also häufigen Wechseln zwischen Job und Arbeitslosigkeit, keine ausreichenden Ansprüche erwerben. Auch für sie bliebe nur die Grundsicherung, die etwa dem Niveau von Arbeitslosengeld II entspricht. Die Autoren befürchten Folgen vor allem für schwache Regionen im Osten, die besonders stark von der Abwanderung junger, gut qualifizierter Leute betroffen sind.

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SZ vom 14.04.2008/aho
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