Süddeutsche Zeitung

Ostdeutsche in Auslandseinsätzen:Aus Not zur Bundeswehr

Lesezeit: 1 min

Zu Auslandseinsätzen melden sich überproportional viele Ostdeutsche, weil sie offenbar sonst keine Arbeit finden. Besonders die unteren Dienstgrade kommen aus Ostdeutschland.

Daniel Brössler

Es ist eine explosive Frage: Am Montag stellte sie die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung in einer Überschrift: "Treibt die Not viele Ostdeutsche zum Afghanistan-Einsatz?" Von Truppenbesuchen am Hindukusch wissen Politiker und Journalisten schon lange, dass sächsische und andere ostdeutsche Mundarten in den Feldlagern dominieren.

Wenige Monate vor der Bundestagswahl nun verstärkt sich das Interesse an diesem Umstand. Die weit links stehende Junge Welt bezeichnete in einer Titelgeschichte jüngst polemisch "Ossis als Kanonenfutter". Tatsache ist, dass Soldaten aus Ostdeutschland überproportional an Auslandseinsätzen der Bundeswehr beteiligt sind.

Dies geht aus der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey (CDU) auf eine Frage des grünen Bundestagsabgeordneten Peter Hettlich aus Sachsen hervor. Von den 6391 Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz sind demnach 3143 ostdeutscher Herkunft. Das macht einen Anteil von 49,2 Prozent - obwohl der Anteil der Ostdeutschen an der Bevölkerung nur knapp 20 Prozent beträgt.

Aus der Statistik geht auch hervor, dass besonders die unteren Dienstgrade aus Ostdeutschland kommen. Von den vier Generälen im Auslandseinsatz stammt keiner aus dem Osten. Bei den Stabsoffizieren sind es 16,6, bei den Mannschaften hingegen 62,5 Prozent. Hettlich sieht darin ein Zeichen für die geringen zivilen Perspektiven junger Ostdeutscher. "Dass vor allem Ostdeutsche den Kopf hinhalten, ist auch ein Zeichen für eine verfehlte Aufbau-Ost-Politik des Bundes", beklagt er.

13 von 35 Bundeswehrsoldaten, die seit 2001 in Afghanistan ihr Leben ließen, seien Ostdeutsche gewesen, berichtet die Mitteldeutsche Zeitung unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Mehr als ein Drittel also, wenn auch nicht so viele, wie der überproportionale ostdeutsche Anteil an Auslandseinsätzen vermuten ließe.

Im Gespräch mit der Zeitung verurteilte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), die Verwendung des Begriffs Kanonenfutter. "Allein die These ist verwerflich", sagte er. Belegt aber sei, dass Ostdeutsche "in den Einsätzen überproportional vertreten und somit überproportional belastet sind".

Auch die Linkspartei beklagt, dass wirtschaftliche Not junge Ostdeutsche zur Bundeswehr treibe. In ihrer Wahlkampagne gegen den Afghanistan-Einsatz will die Linkspartei die höhere Zahl ostdeutscher Gefallener aber nicht thematisieren. Man mache keinen Unterschied, sagt Bundesgeschäftsführer Dietmar Barsch, ob ein gefallener Soldat in "München oder Stralsund" geboren sei.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.167429
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.07.2009
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.