Den Wert der Deutschen Einheit sollte man nach Ansicht der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser (SPD), nicht zu gering schätzen. „Wenn wir jetzt 35 Jahre deutsche Wiedervereinigung feiern, da kann man eben auch daran erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einem wiedervereinigten, friedlichen und eben auch demokratischen Land leben“, sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Berichts zum Stand der Deutschen Einheit. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Perspektive der Generationen, die mehrheitlich im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen sind.„Dabei sehen wir: Obwohl junge Menschen ganz selbstverständlich, so wie ich auch, im vereinigten Deutschland aufgewachsen sind, spielt die Identifikation mit Ostdeutschland immer noch eine große Rolle“, so Kaiser. Und trotz aller Angleichungsprozesse zwischen Ost und West würden junge Menschen in Ostdeutschland immer noch unter anderen Rahmenbedingungen aufwachsen.
Laut Bericht bedeutet eine Herkunft aus Ostdeutschland überdurchschnittlich oft ein Aufwachsen in Familien mit niedrigem Einkommen und wenig oder gar keinem Vermögen. Das präge den Lebensweg vieler Ostdeutscher bis weit ins Erwachsenenalter hinein. In heiklen Lebensphasen, wie etwa bei einem Start in die berufliche Selbstständigkeit oder bei der Familiengründung, könnten sich Ostdeutsche viel seltener auf finanzielle Unterstützung durch die Eltern verlassen als Westdeutsche. Ostdeutsche seien immer noch im Schnitt überdurchschnittlich oft auf Sozialleistungen angewiesen. Eine weitere Herausforderung sei eine Überalterung ganzer Landstriche. Junge Menschen, die in ländlichen Regionen in Ostdeutschland aufwüchsen, träfen jenseits der Metropolen selten auf Gleichaltrige. Es sei wichtig, Menschen die Ängste zu nehmen, dass sie die Verlierer seien. Dafür müsse man ihnen Sicherheiten geben, so Kaiser.
Steinmeier: Nicht zulassen, dass die Demokratie Schaden nimmt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte alle in Ost und West auf, sich schützend vor die Demokratie zu stellen. Er sehe mit Sorge, dass „die politische Mitte nicht nur, aber mehr noch im Osten unseres Landes immer weniger Rückhalt hat“, sagte das Staatsoberhaupt in Berlin. „Lassen wir nicht zu, dass unsere Demokratie noch weiteren Schaden nimmt. Halten wir dagegen.“Bei der Vereinigung vor 35 Jahren habe ausgelassene Stimmung geherrscht, das sei heute weit weg, sagte Steinmeier. „Viele Menschen drücken Sorgen, und diese Sorgen verdienen, ernst genommen zu werden.“ Er verwies auch auf die Härten des Umbruchs in Ostdeutschland, die bis heute nachwirkten.„Aber sollten wir heute, anlässlich von 35 Jahren Deutscher Einheit, nicht einmal innehalten und uns vor Augen führen, was uns gelungen ist in diesen 35 Jahren?“, fragte Steinmeier. „Das vereinigte Deutschland ist ein starkes Land in der Mitte Europas, ein geachteter Partner in der Welt.“