Auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ist noch die Rede von den neuen und den alten Bundesländern. Die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland beschäftigen Sozialwissenschaftler und Ökonomen. Dabei fallen die Spuren der Trennung - etwa entlang der ehemaligen Grenze - immer weniger ins Auge. Dass dennoch deutliche Unterschiede existieren, offenbart ein Blick in die Statistiken.
Die teils bitteren Folgen von Währungsunion und Privatisierung scheinen an den meisten Orten im Osten überstanden, die Städte und die Verkehrsinfrastruktur sind weitgehend erneuert, viele Regionen stellen wunderbare Touristenziele dar. Und dies, obwohl die Infrastruktur während des real existierenden Sozialismus so stark vernachlässigt worden war, dass sie mit der Wende "über Nacht wertlos" wurde, wie es Reiner Klingholz vom Berlin-Institut in der Studie "So geht Einheit" formuliert.
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Für die Bundesregierung kann sich die Bilanz der deutschen Einheit nach eigenen Worten sehen lassen. "Der Aufbau Ost [...] ist insgesamt gelungen", heißt es in ihrem Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2015. Wirtschaft und Arbeitsmarkt haben sich demnach gut entwickelt, die Haushaltskonsolidierung ist vorangeschritten. Dass noch nicht alles überall gleich gut läuft, steckt schon in der Formulierung "insgesamt gelungen".
Iris Gleicke, Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer - auch dieses Amt gibt es noch -, sagte bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts, es seien inzwischen "weitgehend" gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt. Doch noch immer gebe es Bereiche mit Aufholbedarf.
"Nach diesem Kraftakt ohnegleichen", schreibt Reiner Klingholz, "sind bis heute zwar ein paar blühende Landschaften entstanden. Von einer flächenhaften Angleichung zwischen Ost und West kann aber keine Rede sein." So ist die Arbeitslosigkeit zwar zurückgegangen, liegt im Osten aber noch immer deutlich höher als im Westen.
"Ob bei der Bevölkerungsentwicklung, der Wirtschaftskraft, den Vermögen, den Erbschaften oder der Größe der landwirtschaftlichen Betriebe", fasst Klingholz zusammen, "überall zeichnet sich ziemlich exakt die alte Grenze ab, [...] eine Grenze, die einst ein Todesstreifen war und heute bestenfalls noch als grünes Band zu erkennen ist, weil die Natur die Wunden geheilt hat."
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Mit umfassenden Zahlen und Fakten zu 25 Jahren deutsche Einheit wartet nun das Statistische Bundesamt auf. Demnach ist die Bevölkerung in den ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) seit 1990 von etwa 14,7 Millionen um mehr als zwei Millionen geschrumpft So sind insgesamt etwa 3,3 Millionen Menschen - vor allem jüngere -nach Westen ausgewandert, während nur etwa 2,1 Millionen - eher ältere - Westdeutsche in den Osten umsiedelten.
Dazu kommt das große Geburtendefizit in den neuen Ländern. Insbesondere in den Jahren nach der Wende fiel die Zahl der Geburten im Osten steil ab, erst seit 1994 hat sie sich auf deutlich niedrigerem Niveau als vor der Wiedervereinigung stabilisiert.
Die Bevölkerung im Westen ist dagegen durch den Zuzug aus Ostdeutschland, vor allem aber auch aus dem Ausland, um einige Prozent gewachsen - trotz Geburtendefizit. Inzwischen hat die Abwanderung aus dem Osten jedoch nachgelassen.
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Im Osten ist die Gesellschaft aus diesen Gründen schneller gealtert als im Westen. 1991 war dem Statistischen Bundesamt zufolge in fast allen Bundesländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung jünger als 40 Jahre. Inzwischen liegt der Anteil der mindestens 40-Jährigen in den alten Bundesländern noch unter 60 Prozent, lediglich im Saarland leicht darüber. In den neuen Ländern dagegen sind es deutlich mehr als 60 Prozent.
Auch bei der Bevölkerungsdichte gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. So zählte das Statistische Bundesamt 2013 in den neuen Ländern 116 Einwohner pro Quadratkilometer. In den alten Ländern waren es dagegen 261. Vier der fünf ostdeutschen Länder belegten die letzten Plätze. In Mecklenburg-Vorpommern kamen nicht einmal 70 Personen auf einen Quadratkilometer.
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Während das durchschnittliche Alter von Frauen bei der Geburt des ersten Kindes 1989 in der DDR noch bei knapp 23 Jahren lag, waren sie im Westen bereits fast 27 Jahre alt. Bis 2013 war das Alter bei der ersten Geburt im Osten auf 28 Jahre gestiegen und lag deutlich näher an dem im Westen (29,5 Jahre). Verändert hat sich auch der Anteil von Kindern, deren Eltern nicht verheiratet sind. Vor der Wende waren in der DDR nichteheliche Lebensgemeinschaften bereits anerkannt, Alleinerziehende konnten umfangreiche Sozialleistungen und eine Vollversorgung bei der Kinderbetreuung beanspruchen.
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Ein wichtiger Indikator dafür, dass sich das Leben in Ostdeutschland verbessert hat, ist die gestiegene Lebenserwartung. Während Kinder, die zwischen 1993 und 1995 geboren wurde, im Osten mit etwa 71 (Jungen) oder 78 Lebensjahren (Mädchen) rechnen konnten, waren es im Westen 73 (Jungen) und fast 80 Jahre (Mädchen). Inzwischen liegt die Lebenswertung in beiden Teilen Deutschlands fast gleich bei etwa bei 77 Jahren (Jungen) und fast 83 Jahren (Mädchen).
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Als Maß für die wirtschaftliche Leistung gilt das Bruttoinlandsprodukt (BIP). In den 90er Jahren zeigten die neuen Länder sehr hohe Wachstumsraten. Dem Statistischen Bundesamt zufolge rührte das zum einen vom relativ niedrigen Ausgangsniveau her, zum anderen aber habe ein deutlicher Aufholprozess stattgefunden. So lag das BIP 1991 noch bei 1,535 Billionen Euro, zu denen die neuen Bundesländer elf Prozent beisteuerten. 2013 waren es fast 15 Prozent von 2,738 Billionen Euro.
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Gewachsen ist die Wirtschaft in Ostdeutschland vor allem in den 90er Jahren. Seit etwa 2000 liegen die neuen Länder wieder hinter den westdeutschen Ländern Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen zurück. Insbesondere die Industrie in Ostdeutschland erholt sich weiterhin nur langsam von dem Zusammenbruch, den die Umstelllung von der Plan- zur Marktwirtschaft und die Währungsunion verursacht hatten. Immerhin hatte der Aufbau der Infrastruktur im Rahmen des "Aufbau Ost" dem Baugewerbe insbesondere in den 90er Jahren einen Aufschwung beschert. Auch der Dienstleistungssektor gewinnt dem Bundesamt zufolge in beiden Teilen Deutschlands zunehmend an Bedeutung. Dafür fehlt es allerdings an Großunternehmen.
Der Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung war 2013 in Ost und West mit etwa 44 Prozent gleich groß. In den östlichen Flächenländern erhielten mit fast sieben Prozent deutlich mehr Menschen Arbeitslosengeld oder Hartz IV als in den westlichen Flächenländern (vier Prozent), allerdings weniger als in den Stadtstaaten, wo mehr als neun Prozent auf die Unterstützung angewiesen waren. Und während fast ein Drittel der Bevölkerung in den Flächenländern im Osten Rente, Pensionen, Grundsicherung im Alter und anderes erhielten, waren es im Westen und in den Stadtstaaten nur etwa 25 Prozent.
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Auffällig ist der Unterschied im Verdienst. Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer verdienten 2014 in Westdeutschland einschließlich Berlin durchschnittlich 3625 Euro. Im Osten waren es lediglich 2760 Euro, etwa 76 Prozent des Westniveaus. 1991 waren es noch etwa 47 Prozent. Der Verdienstunterschied ist also deutlich geschrumpft, wenn er auch immer noch sehr groß ist. Da allerdings die Lebenshaltungskosten im Osten etwas geringer sind, macht sich der Unterschied nicht so stark bemerkbar, wie es die Zahlen selbst nahelegen.
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Außer in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ist die Gefahr in die Armut zu rutschen, in allen Bundesländern seit 2005 gewachsen ist. Vergleichsweise hoch ist das Risiko in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt, gefolgt von Sachsen, Thüringen, Brandenburg. Neben den Stadtstaaten Bremen und Berlin sind demnach die ostdeutschen Länder besonders betroffen.
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Bis die vier Jahrzehnte dauernde Teilung Deutschlands so weitgehend überwunden sein wird, dass nicht mehr die Rede von den "alten" und "neuen" Ländern sein wird, muss offenbar doch noch mehr Zeit vergehen als nur ein Vierteljahrhundert.