Türkei:Ein Kommandeur, der aneckte

IRAK-TURQUIE-KURDES-VIOLENCES

Zweimal stieg Osman Öcalan in die Führung der Untergrundorganisation PKK auf, zweimal war es nicht von Dauer. Nun starb er 63-jährig im Nordirak.

(Foto: Ahmad al-Rubaye/AFP)

Osman Öcalan, Bruder des Gründers der militanten PKK, ist tot. Türkische Nationalisten wünschen ihm ein "schreckliches Höllenfeuer", die eigenen Leute verurteilten ihn als Verräter.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Nachrufe von solcher Unerbittlichkeit waren zu erwarten. "Der Terrorist Osman Öcalan ist tot", twitterte ein ranghoher türkischer Nationalisten-Politiker. "Möge sein Höllenfeuer schrecklich sein." Die unversöhnlichen Worte dürften in der Türkei vielen aus dem Herzen sprechen; allen Gegnern der kurdischen Sache - und vor allem der Sache der militanten PKK - war Osman Öcalan verhasst.

Zum einen, weil er den Namen von PKK-Gründer Abdullah Öcalan trug. Zum anderen, weil er als jüngerer Bruder des PKK-Führers selbst lange ein Kommandeur der militanten Arbeiterpartei Kurdistans gewesen war und gegen den türkischen Staat gekämpft hatte. Osman Öcalan, eigentlich Lehrer, stieg bis in den Führungszirkel auf, saß im Zentral- und im Exekutivkomitee der PKK, die in Europa und den USA als Terrororganisation gilt.

Weil Osman Öcalan während eines der ewigen innerkurdischen Kriege am Ende die Aussöhnung mit den damals gegen die PKK kämpfenden irakischen Kurden gesucht und auch gefunden hatte, wurde er 1995 von seinen eigenen Leuten als "Verräter" zum Tode verurteilt. Hingerichtet wurde er nicht. Er kam in eine Art Straflager, wurde vier Jahre später rehabilitiert. Sein Bruder war kurz zuvor von seinen syrischen "Gastgebern" verstoßen worden und auf der Suche nach einem neuen Exil durch die Welt geirrt, bis er Anfang 1999 in Kenia vom türkischen Geheimdienst gefasst und zurück in die Türkei gebracht wurde.

Öcalan missachtete eine zentrale Regel

Nach diesem Schlag brauchte die PKK den bekannten Namen: Der jüngere Öcalan stieg erneut in die Führung auf - und eckte wieder an. 2004 heiratete er eine 22-Jährige und verstieß gegen eine der wichtigsten Regeln der PKK: Die Organisation pflegt die Züge eines militanten Ordens, Liebesbeziehungen innerhalb der eigenen Reihen werden nicht geduldet. Osman Öcalan, der im Kurden-Gebiet des Nordirak lebte, trat aus der PKK aus und gründete die kurzlebige "Patriotisch-Demokratische Partei". Später betrieb er eine Bäckerei.

Gelegentlich gab er noch Interviews, in denen er sich für ein Ende des vier Jahrzehnte langen Konfliktes zwischen PKK und türkischem Staate aussprach: "Ich bin gegen Krieg, ich bin für Frieden. Was gerade in der Region passiert, kommt nicht den Kurden zugute, sondern bestimmten Gruppen in der Region, die Streit in der Türkei auslösen wollen."

Sein Bruder Abdullah hatte einmal vernehmlich bedauert, dass der Jüngere nicht hingerichtet worden war. Jetzt hat der Ältere, der seit 1999 in Einzelhaft auf der türkischen Gefängnisinsel Imralı im Marmara-Meer sitzt, ihn auf natürliche Weise überlebt. In den letzten Lebensjahren war Osman Öcalan krank, seinen zwei Söhnen zufolge litt er an Lähmungen und Sprachstörungen. Gestorben ist er nun mit 63 Jahren im nordirakischen Erbil, offenbar an den Folgen von Corona.

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