Oskar Lafontaine:"Ein begnadeter Populist"

Wie die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit selbst den früheren SPD-Vorsitzenden einschätzt - und ihre Fehde mit der PDS.

Von Arne Boecker und Jonas Viering

Die Ansage war eindeutig. "Die Agitation und Propaganda muss populär, klar und einfach sein." Anzusprechen seien die Enttäuschten dieser Gesellschaft, die "in erheblichen Teilen auch gar kein im Selbstverständnis linkes Potenzial" seien. Kurz: Es gehe "auch um einen linken Populismus, der notwendig ist, um Massen zu mobilisieren".

Dies alles steht in einem der Strategiepapiere vor der Gründung der Wahlalternative. Schon im Februar vergangenen Jahres zirkulierte es unter Eingeweihten. Der von Oskar Lafontaine bei seinen Auftritten in Ostdeutschland in dieser Woche gezeigte Populismus - er warnte vor arbeitsplatzraubenden "Fremdarbeitern" und appellierte damit an Ressentiments - ist also keineswegs ein Ausrutscher. Er ist Programm.

Vorbild Schill-Partei

Die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) entstand 2004 aus zwei Diskussionskreisen mit wenigen Dutzend Mitgliedern: In Berlin war ein Mitarbeiter der wirtschaftspolitischen Abteilung von Verdi einer der Wortführer, in Bayern taten sich Funktionäre der IG Metall zusammen. Bevor die Akteure im März an die Öffentlichkeit traten, bevor ihre Gruppe dann auf heute 6000 Mitglieder wuchs, stützten sie ihre Parteigründungspläne auf das Beispiel Ronald Schill.

Der als "Richter Gnadenlos" bekannt gewordene Jurist hatte mit der von ihm gegründeten Partei 2001 auf Anhieb fast 20 Prozent der Stimmen bei der Hamburger Bürgerschaftswahl gewonnen. Sein Kurs der demonstrativen Härte gegen Straftäter, teils auch der Polemik gegen Einwanderer, hatte Erfolg weit über das rechte Lager hinaus - er sprach Ängste an, die die zuvor in Hamburg regierende SPD ignoriert hatte.

"Ein begnadeter Populist"

Das wollten die Wahlalternativler nachmachen - von links, und beim Thema Arbeit. Darum geht es, nicht um Ausländerfeindlichkeit - die man der WASG nicht vorwerfen kann, bislang jedenfalls. Beim WASG-Parteitag in Nordrhein-Westfalen an diesem Samstag aber wird all dies kein Thema sein. Lafontaine wird hier als Spitzenkandidat der Landesliste installiert und wahrscheinlich, nach einer weiteren schmissigen Rede des Saarländers, auch umjubelt werden.

"Populismus ist nichts Unanständiges"

Zwar habe Lafontaine teils eine "wirklich unglückliche Wortwahl" an den Tag gelegt, sagt Landessprecher Georg Fürböck, und er klingt sehr nachdenklich dabei. Aber die Kritik an Lafontaine sei doch "schlicht wahltaktisch motiviert" - im Kampf um Stimmen und Stimmungen seien nun mal "keine Schöngeister" gefragt.

"Dass Lafontaine ein begnadeter Populist ist, das wussten wir doch." So bemerkenswert locker sehen das viele. "Populismus ist nichts Unanständiges", sagt Thomas Händel aus dem WASG-Bundesvorstand. Schließlich gelte es, "komplizierte Sachverhalte so zu erklären, dass sie jeder versteht". Mit seiner Chemnitzer Rede hat Lafontaine auf seine Art klargemacht, wie das Linksbündnis auf Populismus setzt.

Er forderte "eine Volksbefragung sowohl zur EU-Verfassung als auch zur Ost-Erweiterung und zum Türkei-Beitritt" - was ihm viel Beifall eintrug. Er sprach davon, dass "Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen" und von "Schandgesetzen", die der Bundestag beschließe. Und wer sich nicht über Steuern an der Finanzierung des Staates beteilige, dem solle die Staatsbürgerschaft entzogen werden.

Rechte und linke Stereotypen

In Lafontaines Rede jagten sich rechte wie linke Stereotypen. Er ätzte gegen "Milliardäre", "Manager" und - mit besonders hämischem Unterton - gegen "Volksvertreter". Die rechtsextreme NPD lobte Lafontaine bereits öffentlich für das Fremdarbeiter-Zitat. Beim abschließenden Rundmarsch durch Chemnitz scheiterten die Veranstalter daran, sich etwa zwei Dutzend NPD-Aktivisten vom Leibe zu halten, die gegen den "Volksbetrug Hartz IV" protestierten.

Dass Hartz IV außergewöhnliche Koalitionen schmiedet, die von Linksaußen bis Rechtsaußen reichen, ist für den Osten keine Neuigkeit. Die strikt antifaschistische PDS bringt dieser Umstand mächtig in die Klemme, wie ihre scharfen Reaktionen auf Lafontaines demagogische Rede beweisen.

Unverholene Skepsis

Wie konfliktträchtig die neue Allianz ist, beweist der Blick nach Mecklenburg-Vorpommern. Die Spitze der Nordost-PDS, seit sieben Jahre Juniorpartner der SPD in der Regierung, gilt als Hort der Super-Realos. Mit Arbeitsminister Helmut Holter ist sogar ein PDS-Mann dafür zuständig, die verhassten Hartz-Gesetze im Land umzusetzen - auch wenn er das meiste davon für falsch hält.

Die WASG sieht diese Mischung aus Opposition und Machtteilhabe unverhohlen skeptisch. Per Mitgliederversammlung soll am Sonntag grundsätzlich geklärt werden, wie man sich zur PDS stellt. Die WASG hat in Mecklenburg-Vorpommern 60 Mitglieder, die PDS 6200. Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Chef Till Backhaus zieh das Linksbündnis des "Populismus". Die PDS habe ja "Erfahrung darin, einen Staat zugrunde zu richten", kritisierte er im NDR die SED-Nachfolger. Die PDS müsse sich überlegen, ob sie "weiter Verantwortung in einer Regierung tragen oder zur Fundamentalopposition zurückkehren" wolle.

Die PDS keilte im Radio zurück. Backhaus fehle es "an politischer Bildung und Reife", schimpfte Wolfgang Methling, Vize-Ministerpräsident. Auch Oppositionsführer Eckhardt Rehberg (CDU) mischte sich ein: "Zu Ende gedacht müsste die Kritik an WASG und PDS zum Ausstieg der SPD aus der Koalition führen."

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