Osama bin Laden:Botschaft des Hasses

Vor möglichen neuen Nahost-Gesprächen meldet sich Terroristenführer Osama bin Laden zu Wort. Die Adressaten seiner Botschaft: die islamische Welt, US-Präsident Barack Obama und die Israelis.

Tomas Avenarius

Al-Qaida-Chef Osama bin Laden hat lange geschwiegen - kurz nach dem Jahrestag des Terroranschlags vom 11. September 2001 meldet er sich wieder. Die Adressaten seiner auf einer Islamisten-Seite verbreiteten Audio-Botschaft: die islamische Welt, US-Präsident Barack Obama, das amerikanische Volk sowie die Israelis.

Osama bin Laden: Noch sind die internationalen Streitkräfte in Afghanistan sehr präsent - doch der Einsatz ist nicht unumstritten.

Noch sind die internationalen Streitkräfte in Afghanistan sehr präsent - doch der Einsatz ist nicht unumstritten.

(Foto: Foto: AP)

Der seit Jahren irgendwo zwischen Afghanistan und Pakistan untergetauchte Terror-Pate behauptet, die Kriege in Afghanistan und Irak seien für den Westen nicht zu gewinnen. Die Befreiung Palästinas von den Israelis bleibe auf der Tagesordnung. Präsident Obama sei kein Friedenspräsident, sondern ein Kriegstreiber.

"Abnützungskrieg an allen denkbaren Fronten"

Zu den Konflikten im Irak und in Afghanistan sagte bin Laden: "Wenn der Krieg beendet wird, ist es in Ordnung. Wenn nicht, dann werden wir unseren Abnützungskrieg an allen denkbaren Fronten fortsetzen." Dabei erinnerte er Barack Obama - historisch halbwegs treffend - an die Niederlage der Sowjetunion am Hindukusch. Diese habe zehn Jahre lang erfolglos in Afghanistan Krieg geführt, sie sei am Ende als Staat untergegangen und "eine Erinnerung aus der Vergangenheit", so bin Laden. Die Botschaft ist die für al-Qaida typische Mischung aus Fakten, Stimmungen und religiösen Versprechungen.

Bin Laden platzierte seine Nachricht genau zwischen die 9/11-Gedenkfeiern in New York und eine geplante neue Phase von amerikanischen Friedensbemühungen für den Nahen Osten. Auch wenn der Beleg für die Echtheit des Tonbandes noch fehlt: Sie ähnelt nach Angaben des auf das Islamisten-Internet spezialisierten Intel Centers früheren Al-Qaida-Botschaften.

Auch die Sprache ist klassischer bin Laden: Der "machtlose" Obama, der sich eine Friedenslösung für den Nahen Osten auf die Fahne geschrieben hat, sei keineswegs der Vertreter einer neuen Politik im Weißen Haus, sagt er. "Nur die Gesichter haben sich verändert." Die Amerikaner sollten sich endlich von den "Neo-Konservativen" befreien: "Nicht der Irak hätte befreit werden müssen, wie es Präsident Bush behauptet hat. Das Weiße Haus selbst hätte befreit werden müssen."

Bewusst gewählter Zeitpunkt

Noch unversöhnlicher ist die "Botschaft an Israel: Der Al-Qaida-Scheich erklärt den "ungerechten Juden" wieder einmal den Heiligen Krieg. Seine Gruppe habe den Terroranschlag auf das World Trade Center verübt, weil die USA Israel unterstützten und eine israelische Lobby die US-Politik manipuliere. Der Zeitpunkt der Internetbotschaft scheint sehr bewusst gewählt zu sein: Der von Obama vorangetriebene Krieg in Afghanistan ist in den USA und den Nato-Staaten wie Deutschland zunehmend umstritten.

Zudem weilt gerade der US-Sonderbeauftragte George Mitchell im Nahen Osten, und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu traf am Wochenende Ägyptens Staatschef Hosni Mubarak. Hauptstreitpunkt ist die Zukunft der israelischen Siedlungen in den besetzen Palästinensergebieten. Israel fordert als Gegenleistung für einen zeitlichen begrenzten Stopp des Siedlungsbaus eine Normalisierung der Beziehungen zu den arabischen Staaten.

Trotz seiner Medienpräsenz ist der Radikalismus der al-Qaida für das Denken der Menschen in der islamischen und arabischen Welt kaum repräsentativ. Den Kriegen im Irak und in Afghanistan und vor allem dem Friedensprozess mit Israel aber steht die Mehrheit skeptisch gegenüber. Dies macht es auch kompromissbereiten arabischen Regierungen schwer, den Friedensprozess zu unterstützen, ohne von der eigenen Bevölkerung und der heimischen Opposition als Handlanger der Amerikaner und Israelis betrachtet zu werden.

Von Stimmungen profitieren

Mit seiner breit angelegten Botschaft versucht der Sunnit bin Laden, von diesen Stimmungen zu profitieren - zumal anti-israelische Kräfte in der islamischen Welt Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern offen bekämpfen. Dies gilt nicht nur für die Terrorgruppe des in seinem Versteck weitgehend isolierten bin Laden. So warnte in Beirut der anerkannte schiitische Geistliche Muhammed Hussein Fadlallah jetzt vor jeder Normalisierung im Verhältnis zum Judenstaat.

Fadlallah ist der bei den libanesischen Schiiten einflussreichste Ayatollah. In einer Fatwa, einem religiösen Grundsatzurteil, schrieb er: "Die Normalisierung der Beziehungen zum zionistischen Feind in jeder erdenklichen Form ist allen Muslimen durch das islamische Sharia-Recht verboten." Fadlallah gilt als Mentor der Hisbollah. Der Theologe gehört der radikalen Schiitengruppe zwar angeblich nicht an. Sein Urteil hat aber auch in anderen schiitisch geprägten Ländern Gewicht.

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