Organisierte Kriminalität:„Mit dem Geld kommen die Waffen“

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Innenministerin Nancy Faeser und BKA-Präsident Holger Münch: Häufig haben kriminelle Gruppen Helfer außerhalb ihres Milieus. (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Folter, Geiselnahme, Mord und gesellschaftliche Unterwanderung: BKA und Bundesregierung warnen vor immer brutalerer Gewalt und wachsendem Einfluss der Organisierten Kriminalität in Deutschland.

Von Markus Balser, Constanze von Bullion, Berlin

Bundesregierung und BKA befürchten immer brutalere Gewalt und wachsenden gesellschaftlichen Einfluss der Organisierten Kriminalität in Deutschland. Die Gruppierungen seien bereit, mit „drastischer Gewalt“ vorzugehen, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin. Diese reiche „von verbalen Drohungen über Geiselnahmen, Vergewaltigungen und Körperverletzungsdelikten bis hin zu Folterhandlungen“, heißt es im neuen Lagebild des Bundeskriminalamts zur Organisierten Kriminalität (OK).

Das BKA zählte zudem allein fast 40 Tötungsdelikte. Die Bundesregierung macht die Milliardenerlöse der illegalen Geschäfte für die wachsende Brutalität verantwortlich. „Mit dem Geld kommen die Waffen“, sagte Faeser.

Die Kriminellen bauen ihren Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft aus

Allein im vergangenen Jahr hat die Polizei 642 Ermittlungsverfahren gegen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität geführt – der zweithöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Das zeigt das Lagebild, das Faeser am Donnerstag zusammen mit BKA-Präsident Holger Münch vorstellte. Die Schadenssummen, die durch die Kriminellen entstehen, sind mit 2,7 Milliarden Euro in Deutschland zudem so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die meisten Fälle betreffen Rauschgiftkriminalität und Wirtschaftsdelikte, ein sehr hoher Anteil der entdeckten Straftaten wurde im Bereich Cyberkriminalität verübt. Zu den wachsenden Bereichen zählt die „Schleusungskriminalität“.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Organisierte Kriminalität derzeit ihren Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft ausbaut. Oft spielten Insider eine Rolle, warnte Münch. So würden Hafenmitarbeiter teils mit 50 000 Euro für Hilfen bei einer einzigen Drogenlieferung entlohnt. Erstmals hatte das BKA für das aktuelle Lagebild überhaupt untersucht, wie stark die Gruppierungen der Organisierten Kriminalität Einfluss auf die Gesellschaft nehmen.

Die Erkenntnisse sind beunruhigend: In mehr als zehn Prozent aller Fälle agierten die Gruppen mit Helfern außerhalb ihres Milieus zusammen. Die Organisierte Kriminalität setze auch „durch gezielte Einflussnahme auf Personen außerhalb der Gruppierung ihre kriminellen Interessen durch und gefährde damit staatliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen“, warnt das BKA. „Das Vertrauen in staatliche und wirtschaftliche Institutionen sinkt“, sagt auch Münch.

Die Ermittler kommen meist nicht an das Vermögen der Banden heran

Ein großes Problem der Ermittler bleibt: Sie kommen in der Regel nicht an das Vermögen der hochkriminellen Banden heran. Von den festgestellten Erlösen von mehr als einer Milliarde Euro aus der Schattenwelt konnten die Beamten nur 83 Millionen Euro sicherstellen. Die Behörden können damit nicht verhindern, dass die Organisierte Kriminalität ein äußerst einträgliches Geschäft bleibt.

Es werde für die Behörden offenbar „immer schwieriger“, Verschleierungsmaßnahmen aufzudecken, heißt es in dem Bericht. Nur selten können sie den Weg des Geldes nachverfolgen, so wie in jenem Fall, bei dem Drogenkartelle in Deutschland und Spanien 2023 ihre Geschäfte mit dem Verkauf und der Vermietung von Luxusautos tarnten.

Dass der Staat, aber auch internationale Ermittlungsbehörden, ihren Zugriff hier verbessern müssen, ist lange bekannt in der Bundesregierung. Schon vor einem Jahr legte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) einen Gesetzentwurf vor, mit dessen Hilfe Profite aus schmutzigen Geschäften, auch der Organisierten Kriminalität, früher aufgespürt werden sollen, um dann solche Strukturen zu zerschlagen, auch international.

Eine spezielle Behörde soll gegen Finanzkriminalität vorgehen

Vorgesehen ist dazu die Gründung einer eigenen Behörde, des Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF), das gezielt gegen entsprechende Verbrechen in großem Stil vorgehen soll. Unter dem Dach des BBF sollen strafrechtliche Ermittlungsbehörden mit Institutionen wie dem Ermittlungszentrum Geldwäsche (EZG) oder der Generalzolldirektion besser vernetzt werden, um die Spur des Geldes früher entdecken, besser verfolgen und die Gewinne rechtzeitig abschöpfen zu können, auch international.

Das Tempo des Vorhabens allerdings lässt zu wünschen übrig. Es gibt zwar einen Gesetzentwurf, aber er ist noch immer nicht vom Bundestag verabschiedet. Sie hoffe nun auf einen raschen Abschluss, sagte Faeser und forderte auch ein bundesweites Immobilienregister, um illegales Vermögen schneller feststellen zu können.

Die Materie ist komplex, die Einwände der Fachpolitiker waren zahlreich. Die Grünen beispielsweise wollten Lindners Gesetz gegen Finanzkriminalität nur zustimmen, wenn er ein weiteres Vorhaben zügig auf den Weg bringt: ein Gesetz, das die Verschleierung hoher Vermögenswerte im Zusammenhang mit Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder Steuerhinterziehung bekämpft. Hier wiederum zögerte die FDP, es hakte wohl auch zwischen Finanzminister Lindner und Justizminister Marco Buschmann. Eine rasche Einigung in der Koalition ist bislang nicht in Sicht.

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Kommentar von Constanze von Bullion

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