Europäische Christdemokraten:Will Orbán aus der EVP austreten?

Ungarns Ministerpräsident Orban zur Lage Ungarns

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bei seiner Rede zur Lage des Landes am vergangenen Wochenende.

(Foto: dpa)
  • Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat der Europäischen Volkspartei einen Brief geschrieben. Darin schlägt er einen Rechtsruck und Allianzen mit Rechtsparteien vor.
  • Das nährt Spekulationen über einen Austritt seiner Fidesz-Partei aus der EVP.
  • Die Mitgliedschaft ist seit knapp einem Jahr suspendiert.

Von Florian Hassel, Warschau

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat mit einem Brandbrief Spekulationen über einen Austritt der in Ungarn regierenden Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament neue Nahrung gegeben. In einem "Memorandum über den Zustand der EVP" fordert Orbán einen Rechtsruck der Partei. Die EVP solle neben traditionell konservativen Parteien auch "rechts und national orientierte Parteien einschließen" und Koalitionen mit rechten Parteien schließen.

Orbán empfiehlt außerdem Allianzen außerhalb der Europäischen Union, etwa "mit den Türken, den Russen und selbst den Chinesen". Zudem seien US-amerikanische Parteien, besonders die Republikaner, "unsere natürlichen Alliierten". Orbán fordert zudem wegen der angeblichen Aufgabe traditioneller konservativer Werte eine "interne Debatte über die künftige Mission der EVP".

Im März 2019 wurde die Mitgliedschaft von Fidesz suspendiert

Zuletzt wurde in der EVP, welche die größte Fraktion im Europäischen Parlament stellt, allerdings eher über den Status von Fidesz debattiert: Die von Orbán geführte Partei hat in Ungarn Kritikern und der EU-Kommission zufolge den Rechtsstaat und die Demokratie seit Jahren systematisch demontiert. Im März vergangenen Jahres wurde die Mitgliedschaft von Fidesz in der EVP suspendiert: Die zwölf Fidesz-Abgeordneten im Europäischen Parlament gehören zwar weiterhin zur EVP-Fraktion, doch sie dürfen ebenso wenig wie Orbán selbst an EVP-Sitzungen teilnehmen oder für Parteiämter kandidieren.

Die EVP beauftragte 2019 den Belgier und ersten EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, Österreichs früheren Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Hans-Gert Pöttering, zuletzt Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, über das weitere Verhalten von Fidesz zu berichten. Fortschritte hatten sie im Januar nicht zu vermelden: Im Gegenteil regiert Fidesz unter Orbán zunehmend autoritär und trieb zuletzt die vom US-Milliardär George Soros gegründete Central European University aus dem Land.

EVP-Abgeordnete wie der Finne Petri Sarvamaa fordern den Ausschluss von Fidesz. "Fidesz ist eine korrupte, nationalistische, populistische Partei unter Kontrolle eines Muskelmanns", der mit EU-Geld sein "zunehmend autoritäres Regime" festige. "Wir müssen schnell handeln, um sie auszuschließen", plädierte Sarvamaa im Infodienst Politico. Auch Van Rompuy soll dem neuen EVP-Vorsitzenden Donald Tusk geraten haben, Fidesz auszuschließen.

Doch dafür gibt es innerhalb der EVP bisher keine Mehrheit. Französische, spanische, italienische und auch etliche deutsche Christdemokraten sollen dagegen sein - nicht aus Sympathie mit Orbán, sondern weil sie eine Schwächung der EVP durch konkurrierende Gruppen im Europäischen Parlament befürchten. So gab Tusk am 3. Februar lediglich bekannt, die Mitgliedschaft von Fidesz bleibe auf unabsehbare Zeit suspendiert.

Bereits bevor die Suspendierung verlängert wurde, hatte Orbáns Vertraute, Fidesz-Vizepräsidentin Katalin Novák, angekündigt, die ungarische Partei werde dies nicht akzeptieren. Orbán selbst drohte schon Mitte Januar damit, Fidesz werde von sich aus austreten, weil die Mehrheit der EVP Fidesz "verraten" habe. Damals hatten im Europäischen Parlament auch die meisten EVP-Abgeordneten für eine Resolution gestimmt, die laufende Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn und Polen unterstützt.

"In die Arme der Gender-Ideologie gefallen"

Orbáns Brandbrief stärkt nun die Annahme, dass er einen Austritt von Fidesz aus der EVP vorbereiten könnte. In dem "Memorandum" schimpft Orbán, die EVP applaudiere heute Fidel Castro und Karl Marx und bekämpfe weder "die linksliberalen intellektuellen Kräfte und die Medien, die sie beeinflussen und kontrollieren" noch "die Sozialisten, die radikalen anarchistischen Kommunisten an die Regierung helfen". Zudem habe die EVP das traditionelle Familienmodell aufgegeben und sei "in die Arme der Gender-Ideologie" gefallen.

Diese Philippika könnte auch von Polens faktischem Regierungschef Jarosław Kaczyński stammen. Tatsächlich ist der Chef der nationalpopulistischen Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) Orbáns Verbündeter. Dessen autoritäres Regieren hat Kaczyński ausdrücklich als Vorbild für Warschau bezeichnet. Kaczyński und Orbán treffen sich seit 2016 regelmäßig, das letzte Mal am 7. Januar, um "gemeinsame Handlungen unserer Parteien in der europäischen Politik" zu besprechen. Kaczyńskis Vertrauter Ryszard Legutko führt im Europäischen Parlament die Europäische Konservative und Reformergruppe (ECR) - eine mögliche neue Heimat für Ministerpräsident Orbán und die Fidesz.

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