Wahl in Ungarn:Orbán und der Frust in Brüssel

Wahl in Ungarn: Gut gelaunt: Viktor Orbán nach der Stimmabgabe.

Gut gelaunt: Viktor Orbán nach der Stimmabgabe.

(Foto: Janos Kummer/Getty Images)

Europaparlamentarier kritisieren die bisherige Zögerlichkeit von Ursula von der Leyen im Umgang mit dem ungarischen Ministerpräsidenten. Wird der Kurs der Kommission nun härter?

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Sogar auf dem Mond, auf jeden Fall aber in Brüssel werde die Nachricht von seinem Sieg Gehör finden, triumphierte Viktor Orbán in der Nacht zum Montag. Gehört wurde die Nachricht aus Budapest in den Institutionen der Europäischen Union sehr wohl, aber nicht von allen gab es sofort eine Antwort.

Die Kommission zum Beispiel zeigte sich einsilbig, was den Spekulationen Auftrieb gab, die Behörde bereite jetzt eine größere Replik vor: die baldige Einleitung des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus gegen Ungarn. Das würde am Ende des Verfahrens bedeuten, dass Mittel aus dem regulären EU-Haushalt wegen der grassierenden Korruption in Ungarn nicht mehr ausbezahlt würden. Es wäre die maximale Kampfansage an Viktor Orbán - aber viel zu spät, finden Kritiker von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Europaabgeordnete, die sich seit vielen Jahren mit der Korruption und dem Abbau des Rechtsstaats unter Viktor Orbán befassen, zeigten sich am Montag empört. "Orbáns erneuter Wahlsieg ist ein Armutszeugnis für die Europäische Union", kommentierte SPD-Politikerin Katarina Barley, stellvertretende Parlamentsvorsitzende, die schon lange ein härteres Vorgehen gegen Orbán fordert. "Die Kommission und seine langjährigen konservativen Freunde haben der Demokratiezerstörung jahrelang zugeschaut, haben ihn gar hofiert."

Auch der grüne Rechtsstaatsexperte Daniel Freund kritisierte die Zögerlichkeit der Kommission. Jeden Tag würden 17 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt nach Ungarn überwiesen, Orbán habe sie zu Wahlgeschenken genutzt und Mittel aus dem Staatshaushalt sogar verwendet, um den Wahlkampf seiner Partei Fidesz zu finanzieren.

Geld gilt als einziges Druckmittel

Die Kommission hätte den Rechtsstaatsmechanismus schon 2021 anwenden können, wartete aber die Klagen von Polen und Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof ab. Der EuGH wies diese Klagen im Februar ab, aber die Kommission wartete weiterhin - vielleicht, um in der Ukraine-Krise die Einheit der EU nicht zu gefährden, vielleicht auch, um Orbán keine zusätzliche Gelegenheit zu geben, seinen Wahlkampf mit Polemik gegen die EU zu befeuern. Falls dies die Absicht war, so ist die Rechnung nicht aufgegangen.

Geld gilt in der EU mittlerweile als einziges Druckmittel gegen Orbán. Wegen der vielen Wahlgeschenke, die er verteilt habe, müsse er nun möglicherweise auf die EU zugehen, heißt es. Mehr als sieben Milliarden aus dem Corona-Wiederaufbaufonds hält die EU bereits zurück, weil die damit verbundenen Auflagen zur Bekämpfung der Korruption nicht eingehalten werden. Es ist schwer vorstellbar, dass das Geld jetzt ohne größere Zugeständnisse ausbezahlt wird. Die Korruption in Ungarn ist so offensichtlich, dass sich damit wohl auch die Einleitung des Rechtsstaatsmechanismus gut begründen ließe. Es muss eine konkrete Gefährdung von EU-Haushaltsmitteln nachgewiesen werden.

Etwas anders liegt der Fall Polen, wo die Regierung dabei ist, die Gewaltenteilung auszuhebeln. Im Gegensatz zu Orbán hat die polnische Regierung zuletzt versucht, einen Kompromiss mit der EU zu finden. Sie wartet noch auf 24 Milliarden aus dem Corona-Topf. Daniel Freund warnt jedoch: Die polnische Regierung heimse zwar viel Lob für ihre Flüchtlingspolitik in der Ukraine-Krise ein, setze aber zugleich ihre Angriffe auf die unabhängige Justiz fort. Allerdings gilt der Rechtsstaat in Polen noch nicht als derart ausgehöhlt wie in Ungarn.

Die Frustration bei den Rechtsstaatsexperten im Parlament ist jedenfalls groß nach Orbáns Sieg. "Es ist davon auszugehen, dass Orbán die Putinisierung Ungarns nun für vier weitere Jahre fortsetzen wird", klagt Moritz Körner von der FDP. " Von der Leyens Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Budapester Möchtegernautokraten muss endlich enden, sonst ist es nicht mehr sicher, ob es in vier Jahren in Ungarn überhaupt noch Wahlen geben wird."

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