Jean Cabut
Besonders weh tut der Tod jener, die man schon in der Kindheit ins Herz geschlossen hat. Für Millionen Franzosen gehörte Jean Cabut zu diesen Menschen, sie kennen den Karikaturisten, der sich Cabu nannte, aus der Kindersendung RécréA2, die in den Achtzigern im Fernsehen lief. Cabu gehörte zu den Stammgästen. Meist machte er sich über die Moderatorin Dorothée lustig, er zeichnete sie immer mit einer abstrus langen, spitzen Nase. Einmal malte er eine Sonderbriefmarke für sie, mit einer zackigen Ausbuchtung rechts, damit die Nase noch ins Bild passte. Dorothée lachte darüber, weil man dem stillen Cabu mit seinen runden Brillengläsern und der Topffrisur einfach nicht böse sein konnte. Die Kinder von damals haben, als sie erwachsen wurden, die lustige Dorothée irgendwann aus den Augen verloren, aber Cabu blieb ihr Begleiter. Mit wenigen Strichen und verblüffend präzise karikierte er in Frankreichs satirischen Zeitungen Politiker und Religiöse, Spießbürger und Radikale. Eine dieser Zeichnungen, erschienen in Charlie Hebdo, zeigt den Propheten Mohammed, wie er an den Extremisten verzweifelt. Er schlägt die Hände vors Gesicht und sagt: "Es ist hart, von Deppen geliebt zu werden." Nun haben diese, nun ja, Deppen Cabu erschossen, einen mittlerweile 76-Jährigen mit Topffrisur, der noch immer Bilder malte. Manche seiner ewigen Fans haben sich bei YouTube noch mal den alten, von Cabu gezeichneten Abspann der Kindersendung RécréA2 angesehen. "C'est fini", steht da. Es ist aus.
Stéphane Charbonnier
"Ich habe keine Kinder, keine Frau, kein Auto, keinen Kredit. Es ist vielleicht ein wenig schwülstig, aber ich ziehe es vor, aufrecht zu sterben als auf Knien zu leben." Dieser Satz, den Stéphane Charbonnier 2012 zu Le Monde sagte, ist zum Inbegriff der Standfestigkeit von Charlie Hebdo geworden. Der Zeichner und Verlagschef hatte dort eine Kolumne "Charb mag Menschen nicht". Doch so einsam war der 47-Jährige gar nicht. Jeannette Bougrab, Ex-Mitglied der Regierung Sarkozy, outete sich nun als seine Freundin: "Ich war mit einem Helden zusammen."
Georges Wolinski
Kaum ein Franzose, der ihn nicht kennt: Der 80-Jährige gehörte zu den prägendsten Cartoonisten des Landes. Seine Einstellung beschrieb er einmal so: "Humor bedeutet, dass man sich kein Thema verbietet. Man darf vor nichts zurückschrecken, außer vor Boshaftigkeit. Wir sind unverfroren, aber nicht boshaft." 2012 ehrte ihn die französische Nationalbibliothek mit einer Ausstellung. Im Vorwort des Katalogs schrieb Wolinski, er wolle eingeäschert werden. "Ich habe zu meiner Frau gesagt, wirf meine Asche ins Klo, dann sehe ich jeden Tag deinen Hintern."
Philippe Honoré
Er galt als der Begnadetste der vier ermordeten Zeichner. Gleichzeitig war der 73-Jährige der, den die wenigsten Franzosen kannten. Schon mit 16 veröffentlichte er seine erste Zeichnung in einer Tageszeitung. Seitdem war Honoré Mitarbeiter zahlreicher Blätter unter anderem von Le Monde und Libération. Seit 1992 zeichnete er für Charlie Hebdo. Von Honoré stammte die letzte Karikatur, die Charlie Hebdo vor dem Anschlag twitterte. Darauf zu sehen: IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi, der seine Neujahrswünsche ausspricht: "Und vor allem gute Gesundheit!"
Elsa Cayat
Als renommierte Psychoanalytikerin hat Elsa Cayat Bücher verfasst, deren Themen von der Shoa über Sexualität bis zum Eltern-Kind-Verhältnis reichten. Bei Charlie Hebdo schrieb sie eine Kolumne mit dem Titel "Charlie Divan", in der sie die Leser ironisch auf die Psycho-Couch legte. Elsa Cayat ist die einzige Frau unter den Toten. Zwar sollen die islamistischen Attentäter laut Zeugenaussagen gerufen haben: "Wir erschießen keine Frauen!" Doch eine Freundin der Getöteten vermutete nun in einem Interview, Elsa Cayat musste trotzdem sterben, weil sie Jüdin war.
Bernard Maris
Der Wirtschaftsjournalist Bernard Maris war, was vielleicht nur in Frankreich möglich ist, glühender Kapitalismuskritiker und saß gleichzeitig im Beirat der Banque de France. Der 68-jährige Sohn geflohener spanischer Republikaner hat mehrere Bücher verfasst, das letzte hieß "Marx, oh Marx, warum hast du uns verlassen?" Maris war ein Freund von Michel Houellebecq, der auf der letzten Ausgabe von Charlie Hebdo abgebildet war. Houellebecq nannte die Trauer um Maris als Hauptgrund, warum er seine Werbetour für seinen neuen Roman abbrach.
Franck Brinsolaro
Der Personenschützer starb als Erster in dem Feuer, das die Attentäter in der Redaktion eröffneten. Der 49-Jährige arbeitete seit einigen Jahren als Bodyguard von Stéphane Charbonnier, Chef des Magazins, der Morddrohungen erhalten hatte. Brinsolaro habe nicht einmal Zeit gehabt, zu seiner Waffe zu greifen, zitieren französische Medien einen seiner Kollegen. Der aus Marseille stammende Polizist hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. "Ganz Frankreich muss sich erheben gegen diesen Horror", sagte Brinsolaros Zwillingsbruder Philippe am Tag nach der Tat.
Bernard Verlhac
"Wenn ich wüsste, dass jede Zeichnung von mir eine Entführung oder einen Mord verhindert, eine Landmine entfernt, dann würde ich nicht mehr schlafen und nur noch zeichnen", sagte Bernard Verlhac einmal. Der 57-Jährige, der auch für Zeitschriften wie Marianne oder L'Express arbeitete, war Mitglied der Organisation "Cartooning for Peace" und der wohl größte Idealist unter den Künstlern. Sein Pseudonym Tignous hatte Verlhac von seiner Großmutter bekommen, die ihn als Kind in okzitanischer Sprache liebevoll "kleiner Giftzwerg" nannte.
Ahmed Merabet
Der 42-Jährige war Polizist im 11. Pariser Arrondissement. Zum Zeitpunkt des Attentats auf die Redaktion von Charlie Hebdo patrouillierte Merabet gerade mit einer Kollegin ganz in der Nähe. Als der Franzose mit tunesischen Wurzeln den Tatort erreichte, wurde er von den Tätern, die gerade aus dem Redaktionsgebäude flüchteten, niedergeschossen. Verletzt auf dem Bürgersteig liegend, hob er noch beschwichtigend den Arm. Der Kopfschuss kam trotzdem. Mit den Worten "Je suis Ahmed" trauern nun Tausende um den mutigen Polizisten, der Muslim war.
Michel Renaud
Er war nur Gast der Redaktionskonferenz: Michel Renaud, 69, Gründer des Reise-Festivals "Rendez-vous du Carnet du Voyage" in Clermont-Ferrand, wollte dem Zeichner Cabu Bilder zurückbringen, die der dort ausgestellt hatte. Reisen war die Leidenschaft Renauds, der lange Journalist war. Dann ging er in die Politik, als Mitarbeiter des Bürgermeisters von Clermont-Ferrand, später leitete er dessen Büro. Im Ruhestand wurde er Globetrotter, ein Jahr blieb er in Zentralasien. Die gut 400 Kilometer von der Auvergne nach Paris wurden sein Verhängnis.
Mustapha Ourrad
Sein Todestag steht fest. Wann der Korrektor geboren ist, der Charlie Hebdo möglichst fehlerfrei hielt, nicht. Er kam als illegaler Einwanderer aus Algerien, ungefähr 20 Jahre war er da. Ihm reichte nicht, was er an der Sorbonne lernte, er verschlang Bibliotheken. Zeitweise obdachlos, wurden Bücher sein Kissen, über sie zu reden, liebte er. 35 Jahre war er dann Korrektor, lange im Larousse-Verlag. Dort erwischte ihn unlängst eine Kündigungswelle, er kam von nun an öfters zu Charlie Hebdo. Gerade erst wurde Ourrad eingebürgert, seine Töchter sind 16 und 18.
Frédéric Boisseau
Er musste den Killern den Weg zur Redaktion weisen. Frédéric Boisseau, 42, der nichts zu tun hatte mit dem Inhalt von Charlie Hebdo, war das erste Opfer. Er lebte bei Fontainebleau in Villiers-sous-Grez, der Gegend, in der er geboren wurde. In Paris war er als einer von 420 000 Angestellten des Servicekonzerns Sodexo Pförtner in der Rue Nicolas Appert 10. Als sie wussten wohin, erschossen ihn die Täter. "Er war besonders geschätzt als freundlich und hilfsbereit", sagte der Bürgermeister von Villiers-sous-Grez. Frau und Töchter von zehn und zwölf bleiben ohne ihn.