"Operation Olivenzweig":Türkische Armee startet Bodenoffensive in Syrien

A Turkish military convoy arrives at a village on the Turkish-Syrian border in Kilis province

Türkische Panzer fahren an der Grenze zu Syrien auf.

(Foto: REUTERS)
  • Die Türkei hat eine groß angelegte Offensive gegen kurdische Truppen im Nordwesten Syriens begonnen.
  • Nach Luftangriffen am Samstag sind am Sonntag türkischen Angaben zufolge auch Bodentruppen in Afrin einmarschiert - das wurde aber von gegnerischer Seite bestritten.
  • Berlin und Moskau äußern sich besorgt. Sie fürchten eine Eskalation der Gewalt in der Region.

Die Luftangriffe auf kurdische Stellungen in der Region Afrin in Syrien am Samstag waren nur der erste Schritt in der türkischen Militäroffensive "Operation Olivenzweig". Am Sonntag marschierten offenbar die ersten türkischen Bodentruppen ein. Dies teilte Regierungschef Binali Yıldırım mit.

Die Türkei fühlt sich von der starken kurdischen Präsenz an seiner Grenze bedroht. Die Region Afrin wird von der kurdischen Miliz YPG kontrolliert, welche als syrischer Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK gesehen wird. Ziel der Offensive sei es, Afrin von der kurdischen Unterdrückung zu befreien, teilte der türkische Generalstab mit. Die Türkei mache von ihrem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch. Die USA haben die YPG im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit Waffen ausgerüstet, was Ankara empört. Die PKK ist in der Türkei, der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft.

Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu rückten die Soldaten mit Unterstützung der Freien Syrischen Armee vor. Die YPG dominiert auch das Oppositionsbündnis Syrische Demokratische Kräfte. Dessen Sprecher Mustafa Bali bestritt allerdings, dass türkische Truppen in Afrin eingedrungen seien. Kurdische Kämpfer hätten seit Samstag Angriffe abgewehrt, sagte er. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien teilte mit, am nördlichen und am westlichen Rand von Afrin habe es Kämpfe zwischen YPG und türkischen Soldaten gegeben. Das Dorf Schengal in direkter Nähe zur syrischen Grenze sei von türkischen Truppen schon eingenommen worden, wie die Beobachtungsstelle berichtet.

Syrisch-kurdische Kämpfer sollen zuvor auf die Luftangriffe der Türken reagiert haben. Sie hätten Raketen über die Grenze auf die türkische Stadt Kilis in Südanatolien geschossen und eine Person leicht verletzt, behauptete der Gouverneur Mehmet Tekinarslan. Seine Artillerie habe das Feuer erwidert.

Das syrische Außenministerium verurteilte die türkische Operation. Afrin sei ein unabtrennbarer Teil Syriens, hieß es in der Erklärung. Die syrische Führung wies zudem eine Äußerung des türkischen Außenministers Mevlut Cavusoglu zurück, demzufolge Ankara die Regierung von Staatschef Baschar al-Assad über das militärische Vorgehen in seinem Land informiert hatte. Das Außenministerium in Damaskus bewerte das Vorgehen als einen "erneuten türkischen Angriff auf Syriens Souveränität". Assad verurteilte am Sonntag die "brutale türkische Aggression". Diese laufe auf eine "Unterstützung terroristischer Organisationen" hinaus.

In Afrin halten sich Schätzungen zufolge 8000 bis 10 000 YPG-Kämpfer auf. Zudem leben dort etwa 800 000 Zivilisten, die zum Teil aus anderen Teilen Syriens geflohen sind. Die Befürchtung ist groß, dass sie ins Kreuzfeuer kommen könnten. Nach Angaben der Kurdenmiliz YPG seien bereits mindestens neun Menschen getötet worden, darunter sechs Zivilisten. 13 weitere Zivilisten seien verletzt. Die Türkei soll mehrere Grenzübergänge für Menschen geöffnet haben, die vor den Gefechten fliehen.

Erdoğan: Offensive wird nicht mit Afrin enden

Die Militäroffensive hat in Berlin und Moskau Besorgnis ausgelöst. "Wir beobachten die Entwicklung dieser Situation sehr genau", teilte das russische Außenministerium mit. Man fordere alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es: "Wir rufen alle Beteiligten auf, jetzt besonnen zu handeln und keine neue Gewalt aufkommen zu lassen." Auch das US-Außenministerium hat erklärt, es wolle keine Eskalation. Frankreich fordert wegen der jüngsten Kämpfe in Syrien eine Sondersitzung des Weltsicherheitsrats. Das Verteidigungsministerium in Paris erklärte am Sonntag, Außenminister Jean-Yves Le Drian habe mit seinem türkischen Kollegen Mevlut Cavusoglu telefonisch über das Thema gesprochen.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sagt hingegen, die Offensive werde nicht mit Afrin enden. Nächstes Ziel sei die Stadt Manbdisch, rund 100 Kilometer weiter östlich. Die von der YPG dominierten und von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte hatten Manbidsch 2016 von der Terrormiliz Islamischer Staat erobert. Erdoğan sagte, Washington habe seine Zusage nicht eingehalten, die Kurden-Miliz danach wieder zum Verlassen Manbidschs zu zwingen. "Da Versprechen in Bezug auf Manbidsch nicht gehalten wurden, hat niemand das Recht, ein Wort zu sagen", erklärte Erdoğan bei einer Rede.

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