Süddeutsche Zeitung

Online-Plakataktion der NRW-SPD:"Es ist ein Antibesserwisser-Plakat"

Mit Flapsigkeit in den Wahlkampf: "Currywurst ist SPD" heißt das neue Wahlplakat für die nordrhein-westfälische SPD. Die hatte im Netz über verschiedene Vorschläge abstimmen lassen. Erik Flügge, Tübinger Juso-Mitglied, entwarf das Gewinnerplakat mit. Im Interview spricht er über Spaß in einer etablierten Partei und das Abendessen mit Hannelore Kraft.

Nakissa Salavati

Mit einer Plakataktion wagten die Sozialdemokraten aus Nordrhein-Westfalen (NRW) Bürgerbeteiligung im Internet: Sie hatten dazu aufgerufen, selbstgestaltete Wahlplakate einzusenden. Eine Jury aus Parteimitgliedern und Werbern entschied über die fünf Finalisten und stellte diese anschließend online zur Abstimmung. Gewonnen hat ein flapsiges: "Currywurst ist SPD". Die zwei Tübinger Jusos Erik Flügge und Jonathan Gauß erhielten bei Facebook mit 4500 "Likes" die meiste Zustimmung. Ihr Plakat wird, so hat es die SPD angekündigt, in ganz NRW tausendfach aufgehängt.

Das weckt Erinnerungen an frühere Versuche der Bürgerbeteiligung via Internet - mit zweifelhaftem Ergebnis: So ließ Richard Arnold, christdemokratischer Oberbürgermeister von Schwäbisch-Gmünd, im Sommer 2011 über den Namen eines Stadttunnels abstimmen - der Gemeinderat konnte "Bud-Spencer-Tunnel" gerade noch abwenden. Nun heißt das dortige Schwimmbad "Bud Bad". Es war Volkes Wille - und die SPD ist eben nun Currywurst. Kann man damit eine Wahl gewinnen? Oder lässt sich hier eine Partei von den eigenen Leuten veräppeln?

Zumindest hat die NRW-SPD mit ihrer Plakataktion schon jede Menge Aufmerksamkeit bekommen, gerade bei jungen Wählern. Auch wenn es noch etwas hölzern klingt, wenn der nordrhein-westfälische SPD-Generalsekretärs Michael Groschek in dem Videoaufruf sagt: "Die Netzcommunity entscheidet, was wirklich Sache ist."

Erik Flügge ist 25 Jahre alt, studiert in Tübingen Politik, Deutsch und Englisch und ist seit 2004 SPD-Mitglied. Im Gespräch mit der SZ erzählt er, wieso ein Wahlplakat lustig sein darf und was er mit Hannelore Kraft beim Abendessen besprechen wird - denn das hat er zusammen mit Jonathan Gauß als Siegerprämie gewonnen.

SZ: "Currywurst ist SPD", ein Wahlplakat für NRW - aus Tübingen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Erik Flügge: Wir haben überlegt: Was ist das SPD-Gefühl, was ist der Ruhrpott, was ist die Partei? Der SPD-Wähler lebt auch gerne und genießt das Bodenständige. Ich denke da immer an den Deichkind-Song "Leider geil". Es gibt ganz viele Gründe gegen Currywurst, aber sie ist: leider geil.

SZ: Wieso haben Sie die Currywurst gewählt? Wieso nicht Grünkohl?

Flügge: Grünkohl? Ist das nicht niedersächsisch? Wir hatten erst an Karneval gedacht, aber dann wäre es nur ein Spaßplakat geworden. Herbert Grönemeyer singt über die Currywurst als Symbol für Bochum und NRW. Unser Plakat wurde bereits von Fans im Internet fürs Rheinland umgestaltet: Frikadellen sind SPD. Ist auch super, oder?

SZ: Currywurst, Grünkohl, Frikadellen - wo bleibt der Inhalt?

Flügge: Es gibt genügend andere Plakate, die Inhalte transportieren. Kritik am Plakat zeigt, dass es spannend ist. Wir nehmen das sportlich.

SZ: Über 4500 Menschen gefällt ihr Plakat auf Facebook. Warum?

Flügge: Es ist nicht ideologisch. Wir jungen Wähler wollen nicht ständig belehrt werden, sind gut informiert, können mit Verantwortung und Generationengerechtigkeit umgehen. Jonathan und ich wollten die Idee einer Partei vermitteln, ohne den Zeigefinger zu heben. Es ist ein Antibesserwisser-Plakat und sieht gut aus. Außerdem denken viele, die nachts nach dem Club rausgehen: Jetzt noch `ne Currywurst.

SZ: Wollen Sie die SPD mit dem Plakat ärgern?

Flügge: Das ist überhaupt kein böses oder polemisches Plakat, sondern sehr ernst gemeint.

SZ: Liefern Sie mit flapsigen Sprüchen nicht anderen Parteien Munition, den Piraten zum Beispiel?

Flügge: Wir finden es toll, wenn andere Parteien unsere Ideen über Twitter und Facebook verbreiten. Dafür musste das Plakat witzig und provozierend sein. Wir brauchten jemanden, der bekannt ist. Deswegen haben wir den Satiriker Martin Sonneborn angeschrieben, er hat uns unterstützt. Daraufhin hat das Ganze wunderbar funktioniert: Plötzlich haben viele im Internet unser Plakat gepostet. Damit wurden ihre Pinnwände zu einer Plattform für uns. Überall steht jetzt SPD.

SZ: Übernimmt die SPD jetzt die Methoden der Piraten, um Wahlen zu gewinnen?

Flügge: Nö. Würde die SPD die Methoden der Piraten übernehmen, würde sie nachher bei 11 Prozent landen. Wir wollen aber vierzig Prozent und mehr. Die Piraten sind nicht die einzige Partei, in der junge, kreative Menschen mitmachen. Jonathan und ich haben viele Leute mobilisiert.

SZ: Aber die Piraten kommen bei den Wählern mit ihrer Netzpolitik doch sehr gut an.

Flügge: Ich glaube nicht, dass die SPD den Piraten nacheifern muss. Es geht nicht, dass man wie die Piraten keine Antworten auf drängende Probleme hat. Ich würde mir von der SPD wünschen, dass sie mehr Spaß hat und Themen kreativer angeht. Und, dass sie das Internet weniger als Gefahr, sondern mehr als Chance versteht.

SZ: Die SPD mit piratigen Methoden, ist das nicht anbiedernd?

Flügge: Onlineumfragen gab es schon lange vor den Piraten.

SZ: Sogar NRW-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft twittert. Was halten Sie davon?

Flügge: Ehrlich gesagt lese ich sie nicht regelmäßig. Twitter lebt davon, Themen aus neuen Blickwinkeln zu betrachten. Hannelore Kraft hat so viele Termine und Aufgaben und dafür als Spitzenkandidatin kaum Zeit. Aber es gibt andere aus der SPD, die lustig twittern.

SZ: Mit ihrem Plakat haben Sie ein Abendessen mit Hannelore Kraft gewonnen. Schon Fragen vorbereitet?

Flügge: Ne! So langweilig sind wir wirklich nicht! Wir gehen mit Frau Kraft Abendessen, trinken ein paar Bier und essen Currywurst. Und dann werden wir uns nett mit ihr unterhalten, über Netzkultur und darüber, wie wir leben.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Wolfgang Leidig von der SPD habe über den Namen des Stadttunnels in Schwäbisch-Gmünd abstimmen lassen. Tatsächlich war es aber sein Nachfolger Richard Arnold von der CDU, der ihn 2009 als Oberbürgermeister der Stadt ablöste.

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