Online-Durchsuchungen:"Das Gericht ist ein Sicherheitsanker"

Die Opposition feiert das Urteil zu Online-Razzien als Sieg für die Freiheitsrechte. FDP-Politikerin Leutheusser-Schnarrenberger wertet es im sueddeutsche.de-Interview als "Meilenstein für den Ausbau des Grundrechtsschutzes". Doch Minister Schäuble will hart bleiben.

Für sein Grundsatzurteil zur Online-Durchsuchung hat das Bundesverfassungsgericht Beifall aus den Reihen der Opposition geerntet. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, sagte sueddeutsche.de, das Gericht habe einen "Meilenstein für den Ausbau des Grundrechtsschutzes" geschaffen.

Wolfgang Schäuble, ddp

Innenminister Wolfgang Schäuble möchte schnell eine gesetzliche Regelung für Online-Durchsuchungen schaffen.

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"Das Urteil formuliert sehr hohe Eingriffsschwellen, das ist sehr positiv." Das Bundesverfassungsgericht sei wieder als letzter Sicherheitsanker für Grundrechtsschutz gegen Sicherheitspolitiker aufgetreten, die alles wollen - "auch das, was nach unserem Grundgesetz nicht geht".

Das Gericht schreibe der Politik nunmehr genau vor, wie sie zu agieren habe, sagte Schnarrenberger. "Das ist gut, auch wenn ich bedauere, dass das so sein muss."

Vor allem in den letzten Monaten sei die Kritik am Bundesverfassungsgericht bemerkenswert gewesen: mit lapidaren Behauptungen, das alte Grundgesetz von 1949 sei überholt und das Gericht würde Steine in den Weg legen bei der notwendigen Politik der inneren Sicherheit. "Doch das ist nicht der Fall. Und deshalb freue ich mich heute so."

"Das Urteil lässt Online-Durchsuchungen zu"

Die Spitzen der Koalitionsfraktionen haben sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts unterdessen auf eine Aufnahme von Online-Durchsuchungen in das BKA-Gesetz verständigt.

"Wir haben das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis genommen, und dieses Urteil lässt Online-Durchsuchungen unter engen Voraussetzungen zu", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder am Rande der gemeinsamen Klausur auf dem Petersberg bei Bonn. Die Bundesregierung habe zugesagt, auf dieser Grundlage so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck unterstrich, es müssten ganz enge rechtsstaatliche Bedingungen erfüllt sein, um Computer auszuspähen. Es sei daher richtig gewesen, vor Verabschiedung des Gesetzes das Urteil aus Karlsruhe abzuwarten.

Struck rechnet nach eigenen Worten damit, dass sich Innenminister Wolfgang Schäuble und Justizministerin Brigitte Zypries "sehr schnell einigen werden". Der Gesetzentwurf werde dann rasch im Bundestag beraten.

Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer zeigte sich froh über das Urteil. Dieses enthalte eine Art "Grundrecht auf Vertraulichkeit und Integrität".

"Nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen"

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will möglichst schnell eine gesetzliche Regelung für das heimliche Ausspionieren von Computern schaffen. Dabei sollen die Entscheidungen der Karlsruher Richter berücksichtigt werden, die Online-Durchsuchungen an hohe rechtliche Hürden geknüpft hatten.

Der CDU-Politiker versicherte, das Instrument werde "nur in wenigen, aber sehr gewichtigen Fällen zum Einsatz kommen". Dem Bundeskriminalamt (BKA) könne mit der Regelung "eine Kompetenz zur Abwehr von Gefahren aus dem internationalen Terrorismus" übertragen werden, heißt es in einer vom Innenministeriums verbreiteten Stellungnahme Schäubles.

Die FDP-Expertin Leutheusser-Schnarrenberger, in den neunziger Jahren selbst Bundesjustizministerin, brachte sueddeutsche.de gegenüber eine Berichtspflicht für künftige Online-Durchsetzungen ins Gespräch: "Das ist nun zu erwägen." Einmal im Jahr sollte die Regieiung - so wie beim Lauschangriff - dem Bundestag Rechenschaft ablegen über vollzogene Maßnahmen.

Im Übrigen warnte sie vor einer Hybris der Politiker, weiter am hohen Gericht in Karlsruhe vorbei regieren zu wollen.

Auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), SPD-Chef Kurt Beck und der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz rechnen nach dem Urteil mit einer schnellen gesetzlichen Regelung für Online-Durchsuchungen.

Beck betonte allerdings, dass durch das Votum der Richter den "überzogenen Vorstellungen von sicherheitspolitischen Hardlinern eine Absage erteilt" worden sei. Auch Wiefelspütz lobte das Urteil: "Das ist ein guter Tag für die Freiheit unseres Landes. Wir haben ein neues Grundrecht geschenkt bekommen."

Der Grünen-Rechtspolitiker Volker Beck sagte, das Gericht habe dem für das NRW-Gesetz zuständigen FDP-Minister Ingo Wolf, aber auch Schäuble, eine schallende Ohrfeige erteilt.

Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) begrüßte ebenfalls die Entscheidung, Online-Durchsuchungen nur unter strengsten Auflagen anordnen zu können.

Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene heimliche Online-Durchsuchung in einer Grundsatzentscheidung massiv beschränkt. Nach dem Urteil ist das heimliche Eindringen in ein Computersystem nur bei Gefahr für überragend wichtige Rechtsgüter zulässig. Die Maßnahme müsse zudem von einem Richter angeordnet werden, heißt es in dem Urteil.

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