Online-Bewertungen:Und raus bist du

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Reiseportale strafen Wirte ab, die gegen verleumderische Bewertungen klagen - selbst wenn die nachweislich falsch sind.

Von Franz Kotteder

Nicht immer ist der Algorithmus schuld, wenn der Computer ein falsches Ergebnis ausspuckt. Teils sind es auch menschliche Eingriffe, die zu erstaunlichen Resultaten führen. Im Falle von Tripadvisor, der laut Eigenwerbung "weltweit größten Reisewebsite" mit 390 Millionen Besuchern monatlich, kommt der Münchner Barbetreiber Thomas Vogler gar zu einem harschen Urteil: "Könnte es sein, dass die komplett einen an der Waffel haben?"

So stand es im Newsletter seiner Jazzkneipe, den er jede Woche an 7000 Interessenten verschickt. Der Grund für den Ausbruch: Das Bewertungsportal hatte sogenannte "Sanktionen" gegen ihn verhängt, weil er sich gegen eine erkennbar falsche Bewertung gewehrt hatte. Zugleich wurde ihm in Aussicht gestellt, er könne die Strafen schrittweise abschwächen, "sofern wir keine weiteren verdächtigen Aktivitäten feststellen". Damit seien beispielsweise gefälschte Erfahrungsberichte gemeint, erklärt Pressesprecherin Pia Schratzenstaller, oder auch Einschüchterungsversuche gegen Nutzer der Seite, die eine Wertung abgeben. Tripadvisor und andere Bewertungsportale wollen so verhindern, dass Firmen gezielt Bewertungen beeinflussen - es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Agenturen, die Hotels und Restaurants anbieten, gegen Geld für ein gutes Ranking zu sorgen. Und falls im umgekehrten Fall Wirte die Verfasser von schlechten Bewertungen angingen, greife man notgedrungen ebenfalls zu Sanktionen, so Schratzenstaller.

Dissonanzen zwischen Wirten und Bewertungsportalen kommen häufig vor - schließlich werden Bewertungen anderer im Internet für viele zu einem immer wichtigeren Kriterium bei der Wahl von Hotels, Bars oder Restaurants. Der Münchner Fall ist allerdings besonders gelagert: Da hatte im November 2015 ein Bewerter mit dem Pseudonym "zorrozwo" über die Kneipe geschimpft: "Sehr schlechtes Essen. Arroganter Chef." Dass "zorrozwo" wohl nie im Vogler war, ließ sich schnell beweisen: Dort gibt es nämlich gar keine Speisen. Wirt Vogler teilte das Tripadvisor mit, das die Bewertung löschte. Und er zeigte "zorrozwo" wegen Beleidigung und übler Nachrede an.

Das hätte er besser gelassen: Ein gutes Jahr später schrieb ihm Tripadvisor, dass man "jede Bedrohung eines Benutzers (einschließlich Drohungen mit rechtlichen Konsequenzen) als Verletzung unserer Richtlinien" betrachte. Plötzlich war die Jazzbar, sonst meist hervorragend bewertet, nicht mehr auf der Seite zu finden. Welchen Regeln die Abstrafung unterlag, wollte das Portal nicht verraten: "Informationen über die Verhängung oder Aufhebung von Sanktionen sind geheim." Etwas später tauchte die Jazzbar in einer anderen Kategorie wieder auf, abgeschlagen auf Platz 126. Eine der geheimen Strafen besteht also darin, dass der Betrieb in der Rangliste abfällt. Auf mögliche Verfälschungen einer Bewertung reagiert Tripadvisor also mit der Verfälschung des Gesamtergebnisses in die andere Richtung.

"Wie lang eine Sanktionsmaßnahme andauert, wird von Fall zu Fall entschieden", sagt Sprecherin Schratzenstaller. Im Falle der Münchner Jazzbar dauerte es nicht lange. Seit Ende 2016 nimmt sie wieder Platz zwei der Kategorie "Konzerte & Shows in München" ein, hinter der Bayerischen Staatsoper.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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