Buchenwald-Gedenken in WeimarRede von Omri Boehm abgesagt

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Der deutsch-israelische Geisteswissenschaftler Omri Boehm, der in New York lehrt, tritt für die jüdisch-arabische Verständigung ein.
Der deutsch-israelische Geisteswissenschaftler Omri Boehm, der in New York lehrt, tritt für die jüdisch-arabische Verständigung ein. (Foto: Catherina Hess)

Der Philosoph wird als Redner beim Gedenken an das KZ Buchenwald wieder ausgeladen. Aus Rücksicht auf die Überlebenden, heißt es.

Kurz vor dem zentralen Gedenken an die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora am Sonntag ist eine geplante Rede des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm abgesagt worden. Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten, Jens Christian Wagner, teilte am Mittwoch in Weimar mit, „zu seinem großen Bedauern“ habe sich wegen der Einladung Boehms ein Konflikt mit Vertretern der israelischen Regierung angebahnt, in den auch die Überlebenden der Lager hineingezogen worden seien. Gemeinsam sei entschieden worden, den geplanten Vortrag des New Yorker Hochschullehrers zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, sagte Wagner. Er betonte, an der persönlichen und fachlichen Eignung Boehms als Redner im Rahmen des Gedenkens bestehe keinerlei Zweifel.

Der sich abzeichnende Konflikt sei jedoch geeignet gewesen, die vielfach seelisch verletzten Überlebenden zu instrumentalisieren und noch weiter in diesen Konflikt hineinzuziehen. Es sei das oberste Ziel, eine Gedenkveranstaltung in Erinnerung an die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora zu gewährleisten, in der die Überlebenden im Mittelpunkt stehen, nicht eine von außen angestoßene Debatte. Omri Boehm leiste mit seinen international beachteten und mehrfach ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten wichtige Impulse in der Erinnerungsarbeit, sagte Wagner. Der Philosoph sei ein wichtiger internationaler Brückenbauer, auch im Sinne des Leitspruchs „Geschichte begreifen – für die Zukunft lernen“, für die Arbeit in der Stiftung Gedenkstätten.

Boehm tritt für einen jüdisch-palästinensischen Bundesstaat ein

Boehm erhielt 2024 den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für sein Buch „Radikaler Universalismus. Jenseits der Identität“. In der Begründung der Jury hieß es, Boehm verteidige den Kern des humanistischen Universalismus, das Bekenntnis zur Gleichheit aller Menschen, „gegen jede Relativierung“. Er tritt für einen binationalen jüdisch-palästinensischen Bundesstaat ein, eine Zweistaatenlösung hält er für ausgeschlossen. Nur die Gleichberechtigung aller Bürger könne den Konflikt zwischen Juden und Arabern beenden. Damit hat er sich in Israel viel Kritik eingehandelt. Auch seine Haltung zum Holocaust hat immer wieder Kontroversen ausgelöst.

Die israelische Botschaft reagierte mit scharfer Kritik an der ursprünglichen Einladung des Philosophen: „Die Entscheidung, mit Omri Boehm einen Mann einzuladen, der Yad Vashem als Instrument politischer Manipulation bezeichnet, den Holocaust relativiert und sogar mit der Nakba verglichen hat, ist nicht nur empörend, sondern eine eklatante Beleidigung des Gedenkens an die Opfer“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage des Spiegels.

Bei der Feier am 6. April wird Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) ein Grußwort sprechen, die Festrede hält der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff. Das KZ wurde am 11. April 1945 von US-Truppen befreit. „Seit der Lagergründung im Juli 1937 war mehr als eine Viertelmillion Menschen aus über 50 Ländern in das Konzentrationslager Buchenwald oder eines seiner Außenlager verschleppt worden: 249 570 Männer und Jungen sowie 28 230 Frauen und Mädchen im Alter von zwei bis 86 Jahren. Rund 56 000 von ihnen überlebten die Deportation in das Konzentrationslager Buchenwald nicht“, schreibt die Gedenkstätte.

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