Süddeutsche Zeitung

Regeln für Selbstisolation:Kein Plan für eine Quarantäne-Welle

In den USA und Großbritannien legt die Omikron-Variante des Coronavirus erste Branchen lahm. Die Bundesregierung sieht noch keinen Anlass, die Regeln für die Quarantäne zu ändern.

Von Nico Fried und Rainer Stadler

Während Großbritannien und die USA als Reaktion auf die hochansteckende Omikron-Variante die Quarantäneregeln für Corona-Infizierte und Kontaktpersonen gelockert haben, gibt es in Deutschland derzeit keine derartigen Pläne. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums schloss eine Lockerung am Montag allerdings nicht aus. "Ganz allgemein" könne man sagen, "dass natürlich in der Pandemieplanung des Bundes und der Länder theoretisch auch solche Instrumente mitgedacht sind", sagte der Sprecher. Dies betreffe dann insbesondere die sogenannte kritische Infrastruktur. "Im Moment" bestehe jedoch kein Anlass für Veränderungen der Quarantäne-Regelungen. Man müsse "schrittweise" verfolgen, wie sich die Entwicklung bei den Krankmeldungen und entsprechenden Ausfällen von Arbeitskräften darstelle.

Erste Forderungen nach gelockerten Quarantäne-Regelungen waren über die Weihnachtstage aus der Opposition erhoben worden. Angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Sepp Müller (CDU): "Wir brauchen gerade für Geimpfte und Genesene Freitestmöglichkeiten, und zwar nach fünf Tagen." Personen mit einer Auffrischungsimpfung, die keine Symptome aufwiesen, sollten bei einer Woche täglicher Schnelltestungen gar nicht in Quarantäne gehen müssen, sagte der CDU-Politiker der Zeitung Die Welt. "Die Hochrechnungen gehen bei der Omikron-Variante von schlimmstenfalls 700 000 neuen Infektionen pro Tag aus. In diesem Fall käme es tatsächlich zur Massenquarantäne", sagte Müller. Nach allem, was man bisher wisse, sei Omikron ansteckender, aber nicht gefährlicher als die bisher verbreiteten Virusvarianten.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte ebenfalls gefordert, die Richtlinien zu überarbeiten. "Die aktuell gültigen Quarantäneregeln bedürfen mit Blick auf eine mögliche explosionsartige Verbreitung einer Überarbeitung - wir können nicht das ganze Land in Quarantäne schicken", so Söder. Das Robert-Koch-Institut (RKI) müsse dazu einen Vorschlag vorlegen. Das RKI wollte am Montag keine Angaben machen, "ob und in welche Richtung Empfehlungen verändert werden".

Bisher müssen sich in Deutschland nicht nur diejenigen, die sich mit Omikron angesteckt haben, in eine 14-tägige Quarantäne begeben, sondern auch alle, die mit Infizierten Kontakt hatten. Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus regte an, zumindest dreifach Geimpften zu ermöglichen, sich schon früher freizutesten. Es habe sich gezeigt, dass "Geboosterte einen deutlich höheren Schutz gegen die Omikron-Variante" aufwiesen. Eine Lockerung der Quarantäneregeln werde womöglich noch mehr Menschen überzeugen, sich boostern zu lassen.

Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, wie schnell die Omikron-Variante das öffentliche Leben lahmlegen kann. Weltweit mussten über die Weihnachtsfeiertage Tausende Flüge storniert werden, weil Besatzung und Mitarbeiter der Airlines wegen Infektion oder Quarantäne ausfielen. In Großbritannien fehlen Mitarbeiter in Bahnverkehr und bei der Feuerwehr, auch Museen und Gaststätten mussten mangels Personal kurzfristig schließen.

Die britische Regierung reagierte schon vor Weihnachten auf den sprunghaften Anstieg der Corona-Fallzahlen und verkürzte die Quarantänezeiten. Infizierte in Selbstisolation können sich dort nun nach sieben Tagen wieder freitesten. Bisher war dies erst nach zehn Tagen möglich. Kontaktpersonen von Infizierten, die mindestens zweifach geimpft sind, müssen sich überhaupt nicht isolieren. Ihnen wird lediglich empfohlen, sich eine Woche lang täglich zu testen und bei positivem Ergebnis in Quarantäne zu begeben.

Ähnliches gilt für das Klinikpersonal in den USA, wo sich die Omikron-Variante ebenfalls rasch ausbreitet. Mitarbeiter können bereits sieben Tage nach einer Infektion an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, sofern sie einen negativen Test vorweisen und symptomfrei sind. Die Behörden sahen sich zu dem Schritt gezwungen, um eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Auch der Corona-Expertenrat der deutschen Bundesregierung warnt vor einem Zusammenbrechen der kritischen Infrastruktur. Krankenhäuser, Polizei, Feuerwehr wie auch Anbieter von Telekommunikation, Wasser- und Stromversorgung wurden aufgefordert, sich mit Notfallplänen auf den Ausfall Hunderttausender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzubereiten. Anders als in vielen europäischen Ländern sowie in den USA sinken die Fallzahlen in Deutschland immer noch, doch Experten sind überzeugt, dass sich der Trend bald umkehrt und Omikron das Infektionsgeschehen dominiert. Das Landesgesundheitsamt in Baden-Württemberg etwa meldete am Montag, die Zahl der Omikron-Fälle habe sich binnen einer Woche versechsfacht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5496704
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.