Olympia:China kämpft um sein Image

Weightlifting - Women's 49kg - Group A

Goldmedaillen-Gewinnerin Hou Zhihui beim Kraftakt in Tokio.

(Foto: Edgard Garrido/Reuters)

Chinas olympische Erfolge in Tokio genügen den Offiziellen erst dann, wenn internationale Medien sie ins rechte Licht setzen. Echte Bilder und kritische Worte sind unerwünscht.

Von Lea Sahay, Qingdao

Eigentlich läuft es für China sportlich gerade richtig gut. An Tag vier von Olympia stand das Land an der Spitze des Medaillenspiegels in Tokio. Ein halbes Jahr vor den Olympischen Winterspielen in Peking hätten die chinesischen Sportler als erfolgreichste Mannschaft nach Hause zurückkehren können.

Doch anstatt den Erfolg zu feiern, zeigen sich Staatsmedien und Regierungsvertreter seit Tagen vor allem verärgert. Gleich zum Auftakt sorgte der Fall der Gewichtheberin Hou Zhihui für Proteste aus Peking. Die Sportlerin brach drei olympische Rekorde und eroberte eine Goldmedaille in ihrer Gewichtsklasse. Kurz nach ihrem Sieg warf die chinesische Botschaft in Sri Lanka der Nachrichtenagentur Reuters aber vor, absichtlich ein unvorteilhaftes Foto der Gewinnerin veröffentlicht zu haben.

Das Foto ging um die Welt. Es zeigt die junge Frau mit schmerzverzerrtem Gesicht, während sie die Gewichte stemmt. Obwohl das Foto auch in chinesischen Medien erschien, bezeichnete die Botschaft die Nachrichtenagentur als "voreingenommen" und "schamlos", die Auswahl dokumentiere, "wie hässlich" Reuters sei: Sie stelle Politik und Ideologie über den Sport.

Später griff die Vertretung auch den US-Sender CNN an, der Chinas Medaillengewinn und steigende Covid-19-Zahlen bei Olympia in einer Überschrift nannte. Die staatliche Global Times, die für ihre nationalistischen Kommentare bekannt ist, stellte es so dar, als seien CNN und Reuters dabei erwischt worden, wie sie China bei den Olympischen Spielen unfair ins Visier nehmen. Die Darstellung von Sportlern in Aktion sei zudem respektlos.

Xi will, dass China "liebenswürdig" wirkt

Chinas Diplomaten machen nicht zum ersten Mal mit harschen Äußerungen auf sich aufmerksam. Verbalattacken der rüden Art gab es in den vergangenen Jahren immer wieder. Sie brachten den wütenden Funktionären den Spitznamen Wolfskrieger ein, benannt nach einer chinesischen Actionfilmserie, deren Held ausländische Mächte das Fürchten lehrt.

Noch im Juni hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping die Parteivertreter dazu aufgerufen, ihren Ton zu mäßigen. Die Partei müsse "offen und selbstbewusst sowie bescheiden und genügsam sein; strebend, ein glaubwürdiges, liebenswürdiges und respektiertes Bild von China zu erschaffen." Davon ist in Tokio wenig zu spüren.

Schon die Eröffnung der Wettkämpfe erregte Chinas Zorn. In der Zeremonie, ausgestrahlt vom japanischen Sender NHK, wurde die Mannschaft aus Taiwan als - nun ja, Mannschaft aus Taiwan vorgestellt. Der demokratische Inselstaat vor der Küste Chinas, auf den Peking Ansprüche erhebt, nimmt seit 1984 offiziell unter dem Namen "Chinesisch Taipeh" an Olympischen Spielen teil, um Spannungen mit China zu vermeiden. Zur Strafe für den Tabubruch in Tokio unterbrach die chinesische Videoplattform Tencent Video die Übertragung der Zeremonie - sehr zum Ärger ihrer Zuschauer, die deshalb zum Teil den Einmarsch der chinesischen Sportler verpassten.

Auch der US-Sender NBC zog Chinas Unmut auf sich. Das chinesische Konsulat in New York beschwerte sich über eine "unvollständige" Landkarte in der Olympia-Berichterstattung. Auf der Chinakarte waren wie außerhalb des Landes üblich weder Taiwan noch das Seegebiet eingezeichnet, das Peking im Südchinesischen Meer beansprucht. Das Konsulat sprach von "verletzten Gefühlen des chinesischen Volkes".

Ausländische Medien sind unbeliebt

Die Global Times zitierte in ihrer Kritik an der Olympia-Berichterstattung westlicher Medien auch Kommentare aus den sozialen Medien. Zum Beispiel, dass das Reuters-Foto das "fiese Gesicht" westlicher Medien und deren Bösartigkeit zeige. Dass solche Berichte durchaus Folgen haben können, zeigte sich vor einigen Tagen in Zhengzhou. Dort wurden Reporter bei Recherchen in der überschwemmten Stadt bedroht und verfolgt. Zuvor hatte ein KP-Jugendverband Bewohner dazu aufgerufen, einen BBC-Journalisten ausfindig zu machen, der kritisch über die Lokalbehörden berichtet hatte. Der Foreign Correspondents Club (FCCC), eine Vereinigung ausländischer Journalisten in China, machte daraufhin auch Regierungsvertreter für die feindliche Haltung gegenüber ausländischen Medien verantwortlich.

Aber auch auf eigene Sportler richten Kommentatoren ihren Zorn. Das bekam die Sportschützin Yang Qian zu spüren, die für ein bereits im Dezember hochgeladenes Foto ihrer Nike-Schuhsammlung auf dem Blogportal Weibo beschimpft wurde. Nike hat in China einen schlechten Ruf, seit sich das Unternehmen gegen Zwangsarbeit ausgesprochen und ankündigt hat, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang zu beziehen, wo China systematisch seine muslimischen Minderheiten unterdrückt. Auch dem Hongkonger Badmintonspieler Angus Ng Ka Long warfen Kritiker mangelnden Patriotismus vor. Er hatte in einem schwarzen Shirt gespielt. Viele sahen darin eine versteckte Solidaritätsbekundung für Hongkongs prodemokratische Bewegung.

Und der Ton aus Peking dürfte sich noch verschärfen, wenn sich die Debatte um die Olympischen Spiele in China intensiviert. Das EU-Parlament hat die Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, die Wettkämpfe politisch zu boykottieren.

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